Donnerstag, 28. Oktober 2010

Bruchpilot oder Pech?

Kürzlich wurde in unserer Firma ein neuer, junger, frischausgebildeter Fahrer eingestellt. Es versteht sich von selbst, dass dieser noch nicht die Erfahrung eines alten Hasen hat und sich seine Sporen erst abverdienen muss. Will heissen, dass er zum Beispiel Abladestellen noch suchen muss, und dabei vom Navi in Sackgassen oder zu enge Strassen gelotst wird. Will auch heissen, dass er mit den Manövern an den Rampen noch nicht so gewandt ist, und will auch heissen, dass er von den Alteingesessenen noch etwas hämisch und kritisch beobachtet wird. Ich kenne das aus jüngeren Jahren und musste da auch durch, auch wenn ich persönlich den jungen Truckern lieber ein guter Götti bin als ein besserwissender Belehrer.
Nun hat dieser Junge dummerweise in seiner dritten Arbeitswoche beim Rangieren ein Vordach übersehen und dabei das Kühlgerät UND das Vordach komplett zerdrückt. Der Schaden beläuft sich auf eine fünfstellige Summe.
Am Kaffeeautomaten wurde ich dann Zeuge der Diskussion (selbstverständlich in Abwesenheit des bedauernswerten Truckers). Die Star-Chauffeure und ein Mechaniker enervierten sich über den entstandenen Schaden und Ausdrücke wie "Trottel", "Idiot" und "Bruchpilot" waren noch diplomatischer Natur.
Nun bin ich eher der Typ, der sich nicht einmischt und einfach zuhört. Aber in dieser Situation musste ich dennoch intervenieren. Hier meine Argumente:
Unsere Fahrzeuge überschreiten die Dimensionen eines Smart um einige Zentimeter, was ein Manövrieren leicht erschweren kann, gerade in engen Verhältnissen. Ferner muss ein Trucker gerade beim Rangieren mindestens fünf Punkte gleichzeitig im Auge behalten: Den Überhang des Hecks, das Ausschwenken der Schnauze, die Position des Anhängers/Aufliegers, die anderen Verkehrsteilnehmer und letztlich die baulichen Hindernisse, vor, hinter und über dem Truck. Und dies alles praktisch ausschliesslich über die diversen Rückspiegel.
Es gibt freilich in der Praxis Bruchpiloten, denen man nach einer bestimmten Zeit einen Job im Büro naheliegen sollte. Aber drei Wochen nach der Einstellung kann davon noch keine Rede sein, auch wenn der Schaden in die Tausender geht. Und man bringe mir einen Trucker, der noch nie einen Schaden produziert hat!
Und dem Mechaniker, der sich am Kaffeeautomaten fast am lautesten profilierte, erklärte ich, dass wir uns für ihn nach einem neuen Job umsehen müssten, wenn nie, aber auch gar nie ein Schaden entstünde.
Unser neuer Kollege bekam übrigens von den wirklich wichtigen Leuten in unserem Betrieb keinen Rüffel. Und ich wünsche ihm, dass er aus der Erfahrung lernt und nicht mehr Dellen macht als ich in meiner Anfängerzeit.

Dienstag, 13. Juli 2010

Auspendeln im Linienbus


Ab einem gewissen Alter kann es durchaus vorkommen, dass der Trucker die körperlichen Früchte seiner Arbeit erntet. Der Rücken macht einem zu schaffen, die Gelenke knarzen, durch das ständige Runterspringen von der zweiten Etage der Führerkabine oder von der Hebebühne entwickelt der Miniskusnerv ein nerviges Eigenleben und überhaupt, die Nerven. Etliche Trucker entschliessen sich aus diesen Gründen in den letzten Arbeitsjahren für einen Fahrerjob im Linienbus. Das soll ja vermeintlich ziemlich locker und cool abgehen in diesen Kisten. Tja, ein langjähriger Weggefährte von mir hat's probiert. Aber nicht lange, denn:

Fahrgäste steigen - speziell im Winter - grundsätzlich bei der vordersten Türe, direkt beim Fahrer ein. Schliesslich trampt ihnen dieser auch ständig ins Büro und sorgt für einen eiskalten Wintersturm am Arbeitsplatz.

Fahrgäste lösen die Fahrkarten grundsätzlich beim Fahrer, obwohl an fast jeder Haltestelle ein Billetautomat steht. Normalerweise wird noch mit einem ziemlich grossen Geldschein bezahlt, da man ja noch Kleingeld für den Zigarettenautomaten braucht. Gleichzeitig ärgern sich diese Idioten dann über die Verspätung.

Fahrgäste - insbesondere ältere und behinderte Semester - verwechseln den Fahrer mit dem Seelsorger und texten ihn mit all ihren Sörglein und Lebensgeschichten zu. Und wenn der Fahrer auf das Schild "Bitte nicht mit dem Chauffeur sprechen" verweist, werden sie entweder akut suizidgefährdet oder beschweren sich bei der Leitstelle über den unfreundlichen Fahrer.

Fahrgäste - insbesondere an Weekends - verkotzen den Bus, überlassen die ganze Sauerei dem Fahrer oder drohen ihm mit Prügel, wenn er es wagt, auch nur die kleinste Bemerkung zu machen.
Fahrgäste - insbesondere Jugentliche - lassen Gratiszeitungen liegen, zerkratzen Scheiben, verkleben Kaugummis und glänzen mit DER totalen Kommunikation. Beispiel männliche Jugentliche: "Ey, krass monn, ch'schwörs monn, dä het Mercedes monn, ch'schwörs, so krass monn!" Beispiel weibliche Jugentliche: "Dänn er so, dänn ich so, denn sie so, dänn er wieder so, dänn sie so, dänn ich so..."

Fahrgäste fahren schwarz. Damit ist nicht die Hautfarbe gemeint, aber ist ein ertappter Schwarzfahrer zufällig tatsächlich schwarz, wird der Fahrer, der ja schliesslich dann ein Billet verkaufen muss, als Rassist beschimpft. Und zwar nicht nur vom schwarzen Schwarzfahrer, sondern von weiteren zahlreichen Gutmenschen, die zufällig gerade hinter dem Fahrer sitzen.

AUDIdioten und BMWichser lassen den Bus grundsätzlich NIE aus der Nische rausfahren, obschon der von Gesetzes wegen Vortritt hätte, rechtzeitig den Blinker stellte und darüber hinaus noch Verspätung hat. Man hupt den Bus lieber an. Als Trucker durfte man diesen Ärschern noch den Stinkfinger zeigen. Aber die Omis hinten drin wären ob solch unchristlichem Verhalten derart schockiert, dass wiederum eine Beschwerde bei der Leitstelle eingehen würde.

Fazit: Als Linienbus-Fahrer schön die Schnauze halten, sich vollpinkeln, anscheissen, verarschen und selbst vom Vorgesetzten zum Idioten machen lassen, dann kann man als Alt-Trucker seine Dienstzeit im Linienbus auspendeln lassen.

Und ich werde meine Palletten auf der Brücke rumschippern bis zum bitteren Ende, und wenn ich dabei meinen Kopf unter dem Arm trage. Ich bin und bleibe ein Maverick und will mit den oben beschriebenen Idioten nix zu tun haben. Genau wie mein Kumpel; er ist zurück auf dem Bock und fährt wieder einen Truck.

Samstag, 3. Juli 2010

Trucking in den Staaten


Eigentlich heisst dieser Blog ja "Truckerleben in der Schweiz". Dennoch liess ich es mir nicht nehmen, einige Zeit in den Vereinigten Staaten das Truckerleben zu studieren. Und das hat's tatsächlich in sich!

Zunächst gilt der Trucker in den USA - im Gegensatz zu hiesigen Landen - noch was. Die Gesellschaft bringt dem Fernfahrer noch eine gewisse Wertschätzung entgegen und man ist sich der Professionalität und der präzisen Arbeit der Trucker bewusst. Dies beeinflusst direkt die Arbeitsbedingungen der Fahrer, aber auch die Gesetzgebung.

So ist es ennet dem Atlantik ziemlich egal, wie lange ein Zug ist. Dadurch können die Kabinen, notabene der Wohnraum des Truckers, sehr viel grosszügiger gestaltet werden als hier in Europa, wo jeder verlorene Lademeter barer Geldverlust bedeutet. Insbesondere die Solofahrer, welche oft mehrere Wochen unterwegs sind, wohnen ziemlich komfortabel in ihren Maschinen. Und man weiss das zu schätzen, wenn man in Cleveland Stahlelemente lädt und sie runter nach Key West karrt!

Auch die Gewichtsbeschränkungen sind um einiges cleverer gestaltet als in good old Europe. So wird das maximal erlaubte Gesamtgewicht eines Trucks anhand der Motorenkraft und der Anzahl Achsen berechnet. Eine Obergrenze (in Europa 40 Tonnen) gibt es folglich nicht; Grenzen werden allenfalls von der Motorenphysik gegeben. So sieht man in den Staaten sehr oft die so genannten "Double Trailers", ein grosser Sattelschlepper, der zusächlich am Auflieger noch einen Zweiachs-Anhänger mitschleppt.

Ein weiteres Phänomen ist die Logistik. Im Fernverkehr gibt es praktisch keine engen Rampen, der Retourgang im Truck ist oft reine Dekoration. In den meisten Grossbetrieben fährt der Truck in den Charge-Terminal rein, der Trucker wird in den Aufenthaltsraum verwiesen, wo er sich duschen und verpflegen kann, während die Arbeiter den Truck ab- oder beladen. Sobald sie mit der Arbeit fertig sind, wird der Trucker wieder gerufen, dieser überprüft die Ladungssicherung und die Papiere, und weiter geht die Reise - auf der anderen Seite aus dem Terminal raus.

Allerdings gibt es auch einen kleinen Vermuthstropfen: Es gibt eine deutliche Tendenz zur Vertragsfahrerei in den USA. Dies bedeutet, dass der Trucker seine Maschine dem Arbeitgeber abkaufen muss und auf eigene Rechnung fährt. Der Spediteur organisiert dem Trucker im Gegenzug die Finanzierung (Hypothekencrash lässt grüssen) und garantiert ihm über einen gewissen Zeitraum die Aufträge. Viele Trucker leben ganz gut damit; sie brauchen in der Regel ja keine Wohnung, da sie onehin im Truck wohnen. Die Preise für Food in den Truck-Stops sind sehr moderat und das Leben in den USA ist allgemein günstiger als in Europa. Allerdings hört man hin und wieder von Fahrern, die auf diese Weise pleite gehen und hochverschuldet im Strassengraben landen.

Ein spezielles Thema sind die Cops. Sie kontrollieren die Trucks genauso oft und streng wie hierzulande, was auch sinnvoll ist. Wenn Sie im Mietwagen kontrolliert werden, verlassen Sie die Karre auf keinen Fall! Hände am Lenkrad, den Ausweis auf dem Armaturenbrett und niemals in die Innentasche greifen, sonst schnuppern Sie Sekundenschell am Colt des Sheriffs! Anders bei Truck-Kontrollen. Der Trucker verlässt seinen Truck und der Cop steigt ein. Er hat gesetztlich freie Hand, die Kabine und die Ladebrücke komplett zu durchsuchen. Aber alles halb so wild: Wer mit den Cops freundlich umgeht und kooperiert, darf auf ausserordentliche Freundlichkeit und Korrektheit der Sheriffs zählen. Schikanen gibt es keine, womit wir wieder bei der Wertschätzung gegenüber Truckern sind. Ein kleines Detail am Rande: Es ist verboten, alkoholische Getränke in der Kabine mitzuführen. Dies erklärt, warum in vielen Trucks der Kühlschrank aussen an der Rückwand montiert ist...

Und dann das Feeling. Das Brummen eines Peterbuilt, die endlosen Strassen, die Landschaft, die Musik, die Kollegialschaft unter den Truckern, der immer noch allgegenwärtige CB-Funk - all dies macht das Truckerleben in den USA zu etwas ganz speziellem. Trotz Heimweh, Einsamkeit, Strassenstaub, Wüstenhitze, Winterstürme und Reifenpannen.

Tja, und nun hoffe ich auf die Greencard-Verlosung. Wenn es die Glücksfee nämlich gut meint mit mir, dürfen meine inzwischen ziemlich zahlreichen amerikanischen Freunde einen neuen Trucker in ihren Kreisen begrüssen. Fortsetzung folgt...

Montag, 28. Dezember 2009

Trucker-Weihnachten II


Vom Bahnhof brauchte er nur gerade fünfzehn Minuten zu Fuss, er war zum neunzehnten Mal hier und kannte den Weg blind. Naja, eigentlich war es das zwanzigste Mal, aber das erste Mal zählte nicht. Zwanzig lange Jahre ist das nun her. Was wäre wohl, wenn alles nicht geschehen wäre? Vielleicht hätten sie bereits erwachsene Kinder? Oder zumindest pubertierende? Wäre er immer noch Trucker, oder würde er Weihnachten als Bürogummi geniessen können, so wie es ihm sein Chef damals etwas ironisch vorschlug? Hätte. Wäre. Würde. Scheisse, es ändert nichts.

Der Chef schickte ihn am 23. Dezember unverhofft nach Norddeutschland, um Meeresdelikatessen zu laden. "Die Fische beissen auch über die Feiertage und die Nachfrage ist umso grösser! Also pack Dich in den LKW oder such' Dir nen Job im Büro!" Tja, was will man da machen, mitten in der Asienkrise... Seine neue, heissgeliebte Freundin zog alle Register, damit sie über Weihnachten im Truck mitfahren konnte. Erklärte der Familie, dass sie längstens zwanzig Jahre alt gewesen sei, dass man Weihnachten nachholen würde und dass ihr Freund sonst die traurigsten Weihnachten seines Lebens haben würde.

Man erreichte die Spedition am 24. Dezember kurz nach 16.00, also kurz nach Dienstschluss. Ein Hausmeister war gerade am Abschliessen und brummte unfreundlich, man solle halt rechtzeitig kommen. Der Magaziner, der am nächsten Tag keine Wahl hatte, als die Ware herauszugeben (weil sie sonst möglicherweise verdorben wäre) war sehr kreativ mit Schimpfwörtern, und seiner Meinung nach waren Trucker eh die letzten Idioten auf der Welt. Schliesslich wisse man, dass an Feiertagen mehr Verkehr herrsche, da fahre man auch früher ab, schon am 22.! Und überhaupt, jetzt hätte er extra noch einmal in die Spedition fahren müssen, wo er doch Weihnachten mit seiner Familie verbringen wolle! Und überhaupt, was die Tusse so blöd auf der Rampe rumstehe!

Es war der 25. Dezember, spätabends, der Trucker missachtete sämtliche Ruhezeitengesetze, als sie sich während der Fahrt schöne Weihnachten wünschten und Geschenke austauschten. Und gegen die Müdigkeit trank er Whisky, dazwischen ein Bier, dann wieder einen Whisky. Nicht viel, nicht mehr als Trucker damals üblicherweise tranken. Nur dass diese normalerweise zwischendurch mal etwas assen...

Nach der Schweizergrenze dann das Glatteis. Er sah im rechten Rückspiegel, wie der Auflieger sich querstellte und im Begriff war, die Zugmaschine zu überholen. Ein altes Problem bei Sattelschleppern. Und er machte genau das Verkehrte: Statt den Retarder zu lösen und Gas zu geben, stieg er in die Eisen. Einen Bruchteil einer Sekunde sah er die wunderschönen, schockierten blauen Augen seiner Geliebten, dann ihr Blut.

Sie verstarb noch auf der Unfallstelle. Er wurde mehr oder weniger unverletzt aus dem Wrack geschnitten. Von einer Untersuchung im Spital bekam er nichts mit, seine 2,19 gemessenen Promille hatten den Körper erst in der Zelle verlassen.

Er hatte die Stelle erreicht. Es war nichts mehr zu sehen, der Asphalt wurde in der Zwischenzeit schon zweimal erneuert, die Leitplanken dreimal, das erste Mal auf seine Kosten. Er lehnte sich dagegen, beobachtete eine Weile den Verkehr, und legte dann die mitgebrachten Blumen auf den Boden. Dann holte er ein zerknautschtes, verbogenes Namenschild mit der Aufschrift "Melanie" aus seinem abgewetzten Rucksack und legte es neben die Blumen. Eine Weile drehte er am Ring an seinem Finger. Das Gegenstück hatte er ihr in jener Nacht auf der Heimfahrt geschenkt. Letztlich holte er noch eine Flasche Wodka aus dem Rucksack, setzte sie an und leerte sie fast in einem Zug.

Schon wieder ein Rückfall. Wie jedes Jahr. Aber vielleicht waren die Typen aus der Psychiatrie dieses Jahr gnädig und würden ihn endlich erst dann finden, wenn er am Rand der Autobahn erfroren ist.

Klar, die Geschichte entsprang meiner Phantasie. Klar ist aber auch, dass noch heute tausende Trucker über die Feiertage fern von ihren Familien unterwegs sind, und zwar auf Druck ihrer Chefs. Und als Dankeschön von Freizeitverkehr und Speditionen noch zusätzlich schikaniert werden. Ihnen allen sei diese Geschichte gewidmet, auf dass sie niemals in die Situation unseres fiktiven Truckers kommen mögen!

Guten Rutsch ins neue Jahr!

Freitag, 18. Dezember 2009

Das Eco-Drive-Programm


Wie ich in diesem Blog hin und wieder erwähnte, sind wir Berufsfahrer gesetztlich verpflichtet, eine gewisse Anzahl Weiterbildungen zu absolvieren, um die Genehmigung für gewerbliche Transporte (seien es nun Güter oder Personen) beibehalten zu können. Welche Weiterbildung der Trucker nun besucht, ist ihm selbst überlassen, sofern der Kurs vom ASTRA anerkannt ist.

Neulich hatte ich das Vergügen, an einem Eco-Drive-Kurs teilnehmen zu dürfen. Ich habe schon unzählige Weiterbildungskurse auf dem krummen Buckel und ich darf ruhigen Gewissens an dieser Stelle schriftlich festhalten: Noch nie hat mich ein Kurs derart beeindruckt und überzeugt wie eben besagtes Eco-Drive-Training.

Wieso? Nun, fangen wir mal ganz am Anfang an. Für was steht das "Eco"? Da es englisch geschrieben ist, könnte es sowohl für "Economic-Drive" als auch für "Ecologic-Drive" stehen. Vergessen Sie letzteres. Ökologisch fahren geht gar nicht. Selbst Hybride husten Abgase raus, und wenn sie gerade mit Elektrizität laufen, darf man sich getrost mal fragen, woher der gegenwärtige Saft eigentlich kommt. Aber alles halb so schlimm: Der Anteil des Strassenverkehrs am weltweiten CO2-Aussstoss beträgt gerade mal 0,4%. Um dieses ach so schreckliche Gas zu stoppen, müsste Moritz Leuenberger weltweit die Vulkane verbieten. Allerdings würde uns die dadurch gerettete Erde ziemlich schnell um die Ohren fliegen, weil dann die Überdruckventile des Erdinneren fehlen würden. Der nicht ganz glorreiche Moritz wird dies wohl auch aus einem anderen Grund nicht tun: Woraus lässt sich mehr politisches Kaptial - sprich handfeste Knete - schlagen als beim Bashing des Strassenverkehrs? Die Deppen Autofahrer und Fuhrhalter eignen sich über die Moralkeule CO2 immer wieder bestens als Milchkühe. (Für letztere könnte man doch auch eine Methan-Steuer erheben, oder? Man könnte sie doch Kuhfurzsteuer nennen, Moritz!)

Also geht's ums Ökonomische. Ehrlich gesagt, wir Trucker werden es nie schaffen, die Athmosphäre ultimativ zu vergiften. Aber die Ressourcen an fossilen Brennstoffen sind beschränkt und werden immer knapper. Und umso knapper die werden, umso höher schrauben die Kameltreiber die Ölpreise. Was der Weltwirtschaft immensen Schaden zufügen wird. Nun, auch dies wird nicht vermeidbar sein. Aber umso sparsamer wir mit dem Schnaps umgehen, umso mehr haben die Ingenieure Zeit, für unsere Folgegenerationen Antriebe zu erfinden, welche von Erdöl und damit von den Kameltreibern unabhängig sind. Sofern uns die Vulkane nicht vorher ersticken.

So. Nun zur Praxis. Wie spare ich Schnaps. Ganz einfach. Indem ich mir vorstelle, ein Velofahrer zu sein. Würde ein Velofahrer seine Muskelkraft vergeuden? Indem er bergab auch strampelt? Oder indem er volle Kanne auf die Kreuzung zubrettert, um dann im letzten Moment zu stoppen, Füsse auf den Boden, gucken, und wenn frei, wieder unter grossem Kraftaufwand lostreten? Von diesem Beispiel ausgenommen sind natürlich die Gummistrampelhöschen. Die brettern vollgas auf die Kreuzung, nein, ÜBER die Kreuzung. Der Andere guckt dann schon. Und die strampeln auch bergab. Aber die sind auch mit Doping zugenebelt. An anderer Stelle habe ich mal über diese Gilde geschrieben.

Nun haben Trucks und Busse noch einen entscheidenden Vorteil: Das Gewicht. Einmal auf Reisegeschwindigkeit beschleunigt, kann ich getrost Gas wegnehmen: Meine 40 Tonnen schieben mich meilenweit gratis! Die Energie, welche ich für die Beschleunigung aufwänden muss, steht in keinem Verhältnis zum Gewinn! Wenn ein Trucker vorausschaut, kann er bei einem Rotlicht, einem Kreisel, einem Bahnübergang oder einer Kreuzung so früh vom Gas weg, dass der Truck einige hundert Meter gratis an das Ereignis rollt. Geschickt mit dem Retarder umgegangen, wird nicht mal die Bremsscheibe angewetzt. Man kann das sogar auf den PKW übertragen. Wieso haben wir im Auto die Angewohnheit, bis zum Bremsvorgang an einer Kreuzung stur auf dem Gas zu bleiben? Wieso gucken wir nicht einfach ein bisschen weiter voraus und lassen das Auto dann rollen? Naja, weils halt nicht so lässig-sportlich tönt und aussieht.

So, und nun üben wir das mal. Wir stellen ein Glas Wasser auf die Mittelkonsole und fahren einen Parcours von 16 Kilometern, bergauf, bergab, Kreuzungen, Ampeln, ausserorts und innerorts. Kein Tropfen darf überschwappen. Und dann: Geschafft! Die Messgeräte zeigen einen stark reduzierten Schnapsverbrauch und das elektronische Pendel zeigt noch einen weiteren, fast ungeahnten Vorteil auf: Die Kotz-Quote in einem Bus wäre auf praktisch null gesunken, weil die Fahrweise nahezu frei von Lastwechseln, Brems- und Beschleunigungskräften war. Und nun staune man: Die erste Runde fährt man im Kurs so, wie man es immer tat. Die zweite Runde nach allen Regeln der Kunst und eben mit dem ominösen Glas Wasser. Die zweite Runde dauerte in meinem Fall gerade mal 35 Sekunden länger!!! Wieviele Stress-Kilojoule ich dabei eingespart habe, konnte leider nicht auch noch gemessen werden, aber auch dieser Faktor dürfte - auf einen ganzen Arbeitstag hochgerechnet - immens sein. Daher: Free Eco-Drive-Training für jeden PW-Fahrer!
Anhang: Der Eco-Drive-Kurs für Trucker beinhaltet - je nach Anbieter - zusätzlich zahlreiche technische Details wie etwa die Funktionsweise des Wandlers in Automatik-Getrieben, das Ad-Blue-System bei Euro5 Aggregaten etc.

Donnerstag, 26. November 2009

Clichees, die keine sind


Feministinnen und Gutmenschen sollten diesen Beitrag vielleicht besser nicht lesen. Es geht nämlich um das, was besagte Gruppen als Clichees, Trucker aber als tägliche Realität bezeichnen. Doch trotz aller Maulkorb-Wut der Linken und Netten suchen Sie hier vergebens nach einem Vorwand für eine Rassismus-Klage.

Zunächst etwas erfreuliches: Neulich durfte ich fast so etwas wie Trucker-Weihnachten feiern. Ein Audi-Fahrer hat mir nämlich freundlich den Vortritt gewährt! Den hätte ich zwar schon von Gesetzes wegen gehabt, aber Xenonleuchten sind die bekanntesten Drängler und Egoisten, speziell wenn die Karren aus Bayern stammen oder eben vier Ringe tragen. Der absolute GAU ist die Kombination der drei "A": Audi, Aargauer Nummernschild und Abstehende Ohren. Was ich mit letzterem meine, müssen Sie schon selbst herausfinden...

Über Manta-Fahrer kann man heutzutage leider nicht mehr ablästern; es gibt sie nicht mehr. Aber all die herrlichen Manta-Witze kann man eins zu eins auf die Tuning-Bubis ummünzen. Sie sind punkto Intelligenz und Schrottquote den Manta-Fahrern ebenbürtig. Nur dass ihr Akzent etwas östlicher klingt.

Überhaupt philosophiert man auf langen Cruises hin und wieder über die Frage, was denn mehr Todesopfer forderte: Der tragische Balkan-Krieg oder der absolut unfähige aber nahezu kriminelle Fahrstil in und aus dieser Region.

Begegnet Ihnen auf offener Strasse ein Offroader, können Sie nur hoffen, dass der Fahrer ein Förster, Bootsbauer oder Bauunternehmer ist. Denn diese benötigen für ihren Job ein solches Fahrzeug und können damit auch umgehen. Trägt der Fahrer aber eine Kravatte, nehmen Sie Abstand! Denn in diesen Kreisen fährt man den SUV nicht, weil man ein besonders guter Fahrer ist. Eine blondierte, arme, reiche SUV-Mami brachte es neulich auf den Punkt mit der Aussage, sie möchte ihre Kinder mit einem sicheren Auto in die Schule bringen (!). Vom Tussi-Deutsch ins richtige Deutsch übersetzt heisst das: "Ich kann halt nicht so gut Auto fahren und brauche deswegen einen Panzer." Da lobt man doch den Mut jener Tussis, die noch keinen Karriereheini heiraten konnten, aber trotz Talentfreiheit stoisch und todesmutig einen Kleinwagen steuern (siehe dazu auch meinen Beitrag "Tussi" vom Dezember 2008).

A propos Östrogen. Der einzige Parkplatz, der letzthin vor dem Aldi noch frei war, war etwas eng, weil die Nachbarin auf der rechten Seite ihr Auto direkt auf die Markierung stellte. Dass sie bei ihrer Rückkehr aus dem Laden kaum noch einsteigen konnte, verdankt sie wohl kaum der Grösse meines PWs, sondern ihrer eigenen Parkierkunst. Was sie allerdings nicht daran hinderte, mich als "rücksichtslos" zu betiteln. Tja, Lady, wenn Sie so bumsen, wie Sie parkieren, kriegen sie ihn nie rein...

Vielleicht geht's ja im Kreisel besser. Aber denkste. Madam blinkt im Kreisel drin, und zwar links! Und plötztlich - schwupp! - ist sie aus dem Kreisel raus, immer noch links blinkend. Zur Repetition: Im Kreisel wird NICHT geblinkt, man kann ja eh nur in eine Richtung fahren. Aber vor dem Verlassen des Kreisels wird dies mittels Blinker angekündigt, damit der wartende Verkehr losrollen kann. Aber es ist nicht nur das Östrogen, welches einem vom korrekten Kreisel-Fahren abhält; auch viele Testosteron-Träger bekunden Mühe damit.

Und Testosteron kann noch etwas ganz anderes: Einem Truck am Arsch kleben und mittels Lichthupe anzeigen, man möchte doch bitte etwas schneller fahren. Notabene ohne zu bemerken, dass man auf diese Weise genau im toten Winkel des Trucks ist und von dessen Fahrer kaum bis gar nicht bemerkt wird. Und nun raten Sie mal, wieviele "A" bei diesem Fahrer vereinigt waren...

Samstag, 3. Oktober 2009

Der Star-Chauffeur


In fast jedem Transportbetrieb gibt es ihn. Manchmal sogar in mehrfacher Ausführung: Den Star-Chauffeur. Und obschon er diese Ansicht ganz und gar nicht teilt, ist er für die restlichen Kollegen DER absolute Gräuel. Doch woran erkennen wir die Diva unter den Truckern?

Rein äusserlich gibt es nur wenige und ungenaue Merkmale eines Star-Chauffeurs. Man könnte zum Beispiel den Seehund-Schnauz nennen. Allerdings ist dies ein recht ungenaues Indiz, denn nicht jeder Star-Chauffeur trägt eine Gesichtsbehaarung und in der Praxis trifft man gelegentlich auch mal auf einen äusserst angenehmen Seehund-Schnauz-Träger. Ein etwas sichereres Merkmal sind die Zoggeli an den Füssen. Etliche Star-Chauffeure bestehen auf diese Fussbekleidung, obschon sie (die Zoggeli) einen sowohl ästhetisch als auch sicherheitstechnisch das nackte Grausen lehren. Um die Star-Chauffeure auch im Winter zu befriedigen, haben findige Hersteller nun gar ein Modell mit Fellbezug auf den Markt geworfen.

Im Betrieb ist der Star-Chauffeur eigentlich ein recht angenehmer Zeitgenosse, denn er spricht Sie kaum je an. Wieso auch, er kennt Sie ja fast nicht, die einzige Gemeinsamkeit ist der Arbeitgeber! Beim Kreuzen wird sich der Star-Chauffeur auch kaum zu einem Gruss erniedrigen, insbesondere wenn Ihr Truck kleiner oder weniger Customized ist als seiner! Was natürlich keineswegs bedeutet, dass der Star-Chauffeur Sie ignoriert! Nein, ganz im Gegenteil! Im Klandestinen wird jeder Ihrer Handgriffe penibel überwacht und Ihr Truck wird jeden Abend diskret aber gründlich nach neuen Kratzern oder Beulen untersucht. Der Star-Chauffeur braucht das, um seinen Diva-Status gegenüber sich selbst und seinen Kollegen zu bestätigen! Denn ER macht schliesslich weder Kratzer noch Beulen in seinen Truck, sondern kommt extra sogar Samstags in den Betrieb, um die Chromfelgen, welche er notabene aus dem eigenen Sack bezahlt hat, zu polieren. Oder er nimmt den Truck übers Wochenende gleich mit nach Hause, um stets in seiner Nähe zu sein. Und vielleicht auch um den Nachbarn zu zeigen, dass er ein Star-Chauffeur ist.

Hin und wieder treten Star-Chauffeure in Gruppen auf, etwa an den Stammtischen berühmter Trucker-Kneipen oder an Festivals. Dann sind sie allerdings nicht mehr so humorlos und ruhig, sondern übertrumpfen sich mit Geschichten und Erlebnissen. Das Thema? Natürlich Trucking! Hin und wieder werden dann auch Patzer zum Besten gegeben, allerdings nie eigene, sondern stets solche von (nicht anwesenden) Kollegen. Das sind natürlich alles Trottel, die nichts können ausser - siehe oben - Kratzer und Beulen in den Truck zu machen und sowieso ist es ja schade, ausgerechnet dem einen solchen Truck zu geben und überhaupt! Und jeder in der illustren Runde kann noch besser rückwärts fahren und hat noch mehr erlebt und hat die Polizei noch cleverer ausgetrickst und versteht noch mehr vom Gewerbe und ist der noch grössere Platzhirsch.

In den inzwischen obligatorischen Weiterbildungskursen für Trucker findet sich auch hin und wieder ein Star-Chauffeur. Sie outen sich im Gremium auf zwei verschiedene Arten: Entweder lassen sie den Kurs schweigend und stoisch über sich ergehen, da sie ja ohnehin schon alles können und den Kurs im Gegensatz zu allen anderen gar nicht nötig hätten. Oder sie versuchen ebendies zu beweisen, indem sie sich mit dummen Fragen, halbwitzigen Zwischenbemerkungen oder Zündeleien gegen den Dozenten profilieren.

Wie gesagt, die beschriebene Spezies existiert tatsächlich und ist keineswegs vom Aussterben bedroht. Obschon zumindest wir Mavericks unter den Truckern einen grossen Bogen um die Star-Chauffeure machen oder uns zumindest hinter vorgehaltener Hand den Ranzen über die Diven volllachen.