Dienstag, 16. Dezember 2008

Elefantenrennen


Es gibt eine todsichere Methode, wie man PW-Fahrer innert Sekunden zur Weissglut bringen kann: Das Elefantenrennen. Die Spielregeln sind denkbar einfach: Ein Truck überholt auf der Autobahn einen Kollegen und blockiert mangels Geschwindigkeitsdifferenz über mehrere Kilometer die Überholspur. Umso knapper man beim Ausscheren die PWs ausbremst und umso länger die Kolonne hinter einem wird, umso mehr Punkte gibt's.

Doch im Ernst: Elefantenrennen sind bei Truckern immer verpönter, weil sie für den PW-Fahrer nicht nur ärgerlich sind, sondern auch dem Ruf der ganzen Branche schaden. Ein ausgebremster PW-Lenker sagt nicht, Kari von der Firma Sowieso sei eine Öffnung des Hinterteils, sondern reduziert im Affekt gleich alle Trucker zu Idioten. Zudem studieren einige Politiker und Autoverbände (insbesondere der einflussreiche TCS) laut über ein generelles LKW-Überholverbot nach. Nachvollziehbare Modelle sagen zwar aus, dass ein Überholverbot extreme Staus auslösen kann, aber die Chancen für eine Einführung des Verbots stünden sehr gut, würden Elefantenrennen zunehmen. Und damit wäre niemandem geholfen.
Nun sind die meisten Elefantenrennen auf puren Egoismus des betreffenden Truckers zurückzuführen: Man ist sich zu schade, das Tempo um lächerliche drei KmH zu reduzieren und im Convoy zu fahren. Und der langsamere Truck findet es müssig, kurz den Gasfuss anzuheben um dem überholenden Kollegen die Freigabe der Überholspur zu ermöglichen. Rein rechtlich gesehen ist er dazu auch gar nicht verpflichtet.
Gelegentlich aber ist ein Elefantenrennen auch auf einen nicht böse gemeinten Fahrerfehler zurückzuführen. Ich erinnere mich an zwei Situationen, in denen ich versehentlich ein Rennen auslöste - und aus denen ich gelernt habe.

Situation 1: Ich hatte den Tempomaten auf etwa 88 KmH eingestellt (zu schnell, ich weiss) und schloss auf den Vordermann auf. Ich schätzte seine Geschwindigkeit auf 80 KmH ein. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte grünes Licht auf der Überholspur, also setzte ich zum Überholen an. Nun sind die Trucks in Europa auf 90 KmH plombiert. Freilich kann die Plombe technisch entfernt werden, aber wenn man das elfte Gebot missachtet (Du sollst Dich nicht erwischen lassen) kann es sehr schnell sehr teuer werden. Also überholte ich den Kollegen mit 90 KmH. Dieser fuhr aber statt der vermeintlichen 80 weit mehr als 85 KmH. Ein klassischer Verschätzer. Ehe ich wieder rechts einspuren konnte, zog ich eine beachtliche Kolonne hinter mir nach. Ein Scheissgefühl, das kann ich Ihnen versichern!

Situation 2: Knutwiler-Höhe, Fahrtrichtung Süden. In der Steigung verlor der Vordermann an Tempo, während ich mit meinem leeren Truck locker meine 85 KmH halten konnte. Links grün, also Blinker raus und ab die Post! Dumm war nur, dass die Steigung ausgerechnet dann ins Gefälle überging, als beide Trucks Kopf an Kopf waren. Tja, und der gute Kollege bekam Schwung und wurde schneller und schneller. Und da er vollgeladen war, beschleunigte er effizienter als ich ohne Ladegewicht. Auch da blockierte ich die Überholspur länger als vernünftig und auch da war mir ausgesprochen unwohl.
Was ich damit sagen will: Einige Elefantenrennen passieren ungewollt aus zwar vermeidbaren, aber nicht böswilligen Fehlern, die einem einigermassen vernünftigen Trucker nur einmal passieren sollten.
Zum Schluss noch eine kleine Rechnung: Die Strecke Zentralschweiz-Genf beträgt etwa 300 Kilometer. Kann ein Truck durchgehend an der Plombe, also mit 90 KmH fahren, beträgt die Fahrzeit gerundet 200 Minuten. Fährt er aber gemächliche 85 KmH, ist er für die selbe Strecke gerundet 211 Minuten unterwegs, also elf Minuten länger. Da der Truck seine 90 KmH kaum durchgehend halten kann (Baustellen, langsamere Vordermänner etc), schrumpft die Zeitdifferenz zusätzlich. Die Chance, 85 KmH halten zu können, ist da wesentlich grösser. Angesichts dieses lächerlichen Zeitgewinns und des immensen Diesel-Mehrverbrauchs stellt sich die Frage, ob es sich lohnt, sich den Stress der Elefantenrennen und eines weiteren Image-Verlustes aufzubürden.