Es wird allgemein in Abrede gestellt, dass so etwas wie Trucker-Romantik noch existiert. In der Tat haben sich die Zeiten geändert; das Verkehrsaufkommen verlangt von allen Teilnehmern erhöhte Konzentration, die Umgangsformen auf der Strasse werden immer ruppiger, der Zeitdruck ist manchmal fast unerträglich, Speditionsmitarbeiter haben kaum Platz für den Wareneingang, es gibt zu wenig Rampen und - besonders arg- der Trucker findet weder einen Platz, um seinen Anhänger abzustellen noch einen Parkplatz für die obligatorischen Ruhezeiten.
Stimmt das alles wirklich? Sieht der Trucker-Alltag tatsächlich so traurig aus? Nein!
Neulich hatte ich das Glück, zeitlich in Verzug zu kommen. Glück? Immerhin bedeutet dies ja, dass sich das Ereignis "Feierabend" um Stunden verzögert! Aber dennoch...
Ab etwa 19.00 gehörte die A2 praktisch mir alleine. Der Tempomat hielt die Geschwindigkeit auf gemächlichen 85 KmH und der Diesel unter meinem Hintern sang leise sein tiefes, sanftes und beruhigendes Lied, hin und wieder begleitet vom dezenten Pfeifen der Turbine. Entspannt im bequemen ergonomischen Fahrersitz genoss ich das Gefühl, mein Tageswerk zufriedenstellend erledigt zu haben. Die untergehende Sonne schien sich extra für mich zu arrangieren. Gediegen sank sie hinter den Hügel von Beromünster und tauchte links die Rigi und rechts den Pilatus in ein sanftes Rot. Aus den Multi-Watt-Boxen hauchte die Popsängerin Sandra ihren zuckersüssen Schmachtfetzen "When the rain doesn't comes" in bester Klang-Qualität. Der Sempachersee lag ruhig und spiegelnd in seinem Bett, als hüte er sämtliche Geheimnisse, welche ihm schon die dort angesiedelten Pfahlbauer anvertrauten. Stolz darauf, an seinen beiden Enden die wunderschönen Städtchen Sempach und Sursee beherbergen zu dürfen. Heimat einer bezaubernden Flora und Fauna und wohl deshalb auch der Vogelwarte.
Nach dem Eich-Tunnel dann der spektakuläre Blick auf die Voralpen, inzwischen ebenfalls in glühendes Rot gehüllt. Vorbei an den Parkplätzen und der Raststätte Neuenkirch, wo sich die Transit-Trucks bereits zum Übernachten einfanden. Dann der hervorragend sanierte Streckenabschnitt bei Emmenbrücke (8-ung, Blitzer!) und die Verzweigung Rotsee, welche stets den ersehnten Feierabend ankündigt. In solchen Situationen wähne ich mich etwas wehmütig in den USA, auf einem einsamen, meilenlang geraden Highway, irgendwo in Arizona, wo auch das oben gepostete Foto entstand.
Und das Schönste am ganzen: All das kann auf jeder beliebigen Strecke in unserem bezaubernden Land erlebt werden.
Es gibt sie noch, die Trucker-Romantik.