Samstag, 3. Oktober 2009

Der Star-Chauffeur


In fast jedem Transportbetrieb gibt es ihn. Manchmal sogar in mehrfacher Ausführung: Den Star-Chauffeur. Und obschon er diese Ansicht ganz und gar nicht teilt, ist er für die restlichen Kollegen DER absolute Gräuel. Doch woran erkennen wir die Diva unter den Truckern?

Rein äusserlich gibt es nur wenige und ungenaue Merkmale eines Star-Chauffeurs. Man könnte zum Beispiel den Seehund-Schnauz nennen. Allerdings ist dies ein recht ungenaues Indiz, denn nicht jeder Star-Chauffeur trägt eine Gesichtsbehaarung und in der Praxis trifft man gelegentlich auch mal auf einen äusserst angenehmen Seehund-Schnauz-Träger. Ein etwas sichereres Merkmal sind die Zoggeli an den Füssen. Etliche Star-Chauffeure bestehen auf diese Fussbekleidung, obschon sie (die Zoggeli) einen sowohl ästhetisch als auch sicherheitstechnisch das nackte Grausen lehren. Um die Star-Chauffeure auch im Winter zu befriedigen, haben findige Hersteller nun gar ein Modell mit Fellbezug auf den Markt geworfen.

Im Betrieb ist der Star-Chauffeur eigentlich ein recht angenehmer Zeitgenosse, denn er spricht Sie kaum je an. Wieso auch, er kennt Sie ja fast nicht, die einzige Gemeinsamkeit ist der Arbeitgeber! Beim Kreuzen wird sich der Star-Chauffeur auch kaum zu einem Gruss erniedrigen, insbesondere wenn Ihr Truck kleiner oder weniger Customized ist als seiner! Was natürlich keineswegs bedeutet, dass der Star-Chauffeur Sie ignoriert! Nein, ganz im Gegenteil! Im Klandestinen wird jeder Ihrer Handgriffe penibel überwacht und Ihr Truck wird jeden Abend diskret aber gründlich nach neuen Kratzern oder Beulen untersucht. Der Star-Chauffeur braucht das, um seinen Diva-Status gegenüber sich selbst und seinen Kollegen zu bestätigen! Denn ER macht schliesslich weder Kratzer noch Beulen in seinen Truck, sondern kommt extra sogar Samstags in den Betrieb, um die Chromfelgen, welche er notabene aus dem eigenen Sack bezahlt hat, zu polieren. Oder er nimmt den Truck übers Wochenende gleich mit nach Hause, um stets in seiner Nähe zu sein. Und vielleicht auch um den Nachbarn zu zeigen, dass er ein Star-Chauffeur ist.

Hin und wieder treten Star-Chauffeure in Gruppen auf, etwa an den Stammtischen berühmter Trucker-Kneipen oder an Festivals. Dann sind sie allerdings nicht mehr so humorlos und ruhig, sondern übertrumpfen sich mit Geschichten und Erlebnissen. Das Thema? Natürlich Trucking! Hin und wieder werden dann auch Patzer zum Besten gegeben, allerdings nie eigene, sondern stets solche von (nicht anwesenden) Kollegen. Das sind natürlich alles Trottel, die nichts können ausser - siehe oben - Kratzer und Beulen in den Truck zu machen und sowieso ist es ja schade, ausgerechnet dem einen solchen Truck zu geben und überhaupt! Und jeder in der illustren Runde kann noch besser rückwärts fahren und hat noch mehr erlebt und hat die Polizei noch cleverer ausgetrickst und versteht noch mehr vom Gewerbe und ist der noch grössere Platzhirsch.

In den inzwischen obligatorischen Weiterbildungskursen für Trucker findet sich auch hin und wieder ein Star-Chauffeur. Sie outen sich im Gremium auf zwei verschiedene Arten: Entweder lassen sie den Kurs schweigend und stoisch über sich ergehen, da sie ja ohnehin schon alles können und den Kurs im Gegensatz zu allen anderen gar nicht nötig hätten. Oder sie versuchen ebendies zu beweisen, indem sie sich mit dummen Fragen, halbwitzigen Zwischenbemerkungen oder Zündeleien gegen den Dozenten profilieren.

Wie gesagt, die beschriebene Spezies existiert tatsächlich und ist keineswegs vom Aussterben bedroht. Obschon zumindest wir Mavericks unter den Truckern einen grossen Bogen um die Star-Chauffeure machen oder uns zumindest hinter vorgehaltener Hand den Ranzen über die Diven volllachen.