Montag, 28. Dezember 2009

Trucker-Weihnachten II


Vom Bahnhof brauchte er nur gerade fünfzehn Minuten zu Fuss, er war zum neunzehnten Mal hier und kannte den Weg blind. Naja, eigentlich war es das zwanzigste Mal, aber das erste Mal zählte nicht. Zwanzig lange Jahre ist das nun her. Was wäre wohl, wenn alles nicht geschehen wäre? Vielleicht hätten sie bereits erwachsene Kinder? Oder zumindest pubertierende? Wäre er immer noch Trucker, oder würde er Weihnachten als Bürogummi geniessen können, so wie es ihm sein Chef damals etwas ironisch vorschlug? Hätte. Wäre. Würde. Scheisse, es ändert nichts.

Der Chef schickte ihn am 23. Dezember unverhofft nach Norddeutschland, um Meeresdelikatessen zu laden. "Die Fische beissen auch über die Feiertage und die Nachfrage ist umso grösser! Also pack Dich in den LKW oder such' Dir nen Job im Büro!" Tja, was will man da machen, mitten in der Asienkrise... Seine neue, heissgeliebte Freundin zog alle Register, damit sie über Weihnachten im Truck mitfahren konnte. Erklärte der Familie, dass sie längstens zwanzig Jahre alt gewesen sei, dass man Weihnachten nachholen würde und dass ihr Freund sonst die traurigsten Weihnachten seines Lebens haben würde.

Man erreichte die Spedition am 24. Dezember kurz nach 16.00, also kurz nach Dienstschluss. Ein Hausmeister war gerade am Abschliessen und brummte unfreundlich, man solle halt rechtzeitig kommen. Der Magaziner, der am nächsten Tag keine Wahl hatte, als die Ware herauszugeben (weil sie sonst möglicherweise verdorben wäre) war sehr kreativ mit Schimpfwörtern, und seiner Meinung nach waren Trucker eh die letzten Idioten auf der Welt. Schliesslich wisse man, dass an Feiertagen mehr Verkehr herrsche, da fahre man auch früher ab, schon am 22.! Und überhaupt, jetzt hätte er extra noch einmal in die Spedition fahren müssen, wo er doch Weihnachten mit seiner Familie verbringen wolle! Und überhaupt, was die Tusse so blöd auf der Rampe rumstehe!

Es war der 25. Dezember, spätabends, der Trucker missachtete sämtliche Ruhezeitengesetze, als sie sich während der Fahrt schöne Weihnachten wünschten und Geschenke austauschten. Und gegen die Müdigkeit trank er Whisky, dazwischen ein Bier, dann wieder einen Whisky. Nicht viel, nicht mehr als Trucker damals üblicherweise tranken. Nur dass diese normalerweise zwischendurch mal etwas assen...

Nach der Schweizergrenze dann das Glatteis. Er sah im rechten Rückspiegel, wie der Auflieger sich querstellte und im Begriff war, die Zugmaschine zu überholen. Ein altes Problem bei Sattelschleppern. Und er machte genau das Verkehrte: Statt den Retarder zu lösen und Gas zu geben, stieg er in die Eisen. Einen Bruchteil einer Sekunde sah er die wunderschönen, schockierten blauen Augen seiner Geliebten, dann ihr Blut.

Sie verstarb noch auf der Unfallstelle. Er wurde mehr oder weniger unverletzt aus dem Wrack geschnitten. Von einer Untersuchung im Spital bekam er nichts mit, seine 2,19 gemessenen Promille hatten den Körper erst in der Zelle verlassen.

Er hatte die Stelle erreicht. Es war nichts mehr zu sehen, der Asphalt wurde in der Zwischenzeit schon zweimal erneuert, die Leitplanken dreimal, das erste Mal auf seine Kosten. Er lehnte sich dagegen, beobachtete eine Weile den Verkehr, und legte dann die mitgebrachten Blumen auf den Boden. Dann holte er ein zerknautschtes, verbogenes Namenschild mit der Aufschrift "Melanie" aus seinem abgewetzten Rucksack und legte es neben die Blumen. Eine Weile drehte er am Ring an seinem Finger. Das Gegenstück hatte er ihr in jener Nacht auf der Heimfahrt geschenkt. Letztlich holte er noch eine Flasche Wodka aus dem Rucksack, setzte sie an und leerte sie fast in einem Zug.

Schon wieder ein Rückfall. Wie jedes Jahr. Aber vielleicht waren die Typen aus der Psychiatrie dieses Jahr gnädig und würden ihn endlich erst dann finden, wenn er am Rand der Autobahn erfroren ist.

Klar, die Geschichte entsprang meiner Phantasie. Klar ist aber auch, dass noch heute tausende Trucker über die Feiertage fern von ihren Familien unterwegs sind, und zwar auf Druck ihrer Chefs. Und als Dankeschön von Freizeitverkehr und Speditionen noch zusätzlich schikaniert werden. Ihnen allen sei diese Geschichte gewidmet, auf dass sie niemals in die Situation unseres fiktiven Truckers kommen mögen!

Guten Rutsch ins neue Jahr!

Freitag, 18. Dezember 2009

Das Eco-Drive-Programm


Wie ich in diesem Blog hin und wieder erwähnte, sind wir Berufsfahrer gesetztlich verpflichtet, eine gewisse Anzahl Weiterbildungen zu absolvieren, um die Genehmigung für gewerbliche Transporte (seien es nun Güter oder Personen) beibehalten zu können. Welche Weiterbildung der Trucker nun besucht, ist ihm selbst überlassen, sofern der Kurs vom ASTRA anerkannt ist.

Neulich hatte ich das Vergügen, an einem Eco-Drive-Kurs teilnehmen zu dürfen. Ich habe schon unzählige Weiterbildungskurse auf dem krummen Buckel und ich darf ruhigen Gewissens an dieser Stelle schriftlich festhalten: Noch nie hat mich ein Kurs derart beeindruckt und überzeugt wie eben besagtes Eco-Drive-Training.

Wieso? Nun, fangen wir mal ganz am Anfang an. Für was steht das "Eco"? Da es englisch geschrieben ist, könnte es sowohl für "Economic-Drive" als auch für "Ecologic-Drive" stehen. Vergessen Sie letzteres. Ökologisch fahren geht gar nicht. Selbst Hybride husten Abgase raus, und wenn sie gerade mit Elektrizität laufen, darf man sich getrost mal fragen, woher der gegenwärtige Saft eigentlich kommt. Aber alles halb so schlimm: Der Anteil des Strassenverkehrs am weltweiten CO2-Aussstoss beträgt gerade mal 0,4%. Um dieses ach so schreckliche Gas zu stoppen, müsste Moritz Leuenberger weltweit die Vulkane verbieten. Allerdings würde uns die dadurch gerettete Erde ziemlich schnell um die Ohren fliegen, weil dann die Überdruckventile des Erdinneren fehlen würden. Der nicht ganz glorreiche Moritz wird dies wohl auch aus einem anderen Grund nicht tun: Woraus lässt sich mehr politisches Kaptial - sprich handfeste Knete - schlagen als beim Bashing des Strassenverkehrs? Die Deppen Autofahrer und Fuhrhalter eignen sich über die Moralkeule CO2 immer wieder bestens als Milchkühe. (Für letztere könnte man doch auch eine Methan-Steuer erheben, oder? Man könnte sie doch Kuhfurzsteuer nennen, Moritz!)

Also geht's ums Ökonomische. Ehrlich gesagt, wir Trucker werden es nie schaffen, die Athmosphäre ultimativ zu vergiften. Aber die Ressourcen an fossilen Brennstoffen sind beschränkt und werden immer knapper. Und umso knapper die werden, umso höher schrauben die Kameltreiber die Ölpreise. Was der Weltwirtschaft immensen Schaden zufügen wird. Nun, auch dies wird nicht vermeidbar sein. Aber umso sparsamer wir mit dem Schnaps umgehen, umso mehr haben die Ingenieure Zeit, für unsere Folgegenerationen Antriebe zu erfinden, welche von Erdöl und damit von den Kameltreibern unabhängig sind. Sofern uns die Vulkane nicht vorher ersticken.

So. Nun zur Praxis. Wie spare ich Schnaps. Ganz einfach. Indem ich mir vorstelle, ein Velofahrer zu sein. Würde ein Velofahrer seine Muskelkraft vergeuden? Indem er bergab auch strampelt? Oder indem er volle Kanne auf die Kreuzung zubrettert, um dann im letzten Moment zu stoppen, Füsse auf den Boden, gucken, und wenn frei, wieder unter grossem Kraftaufwand lostreten? Von diesem Beispiel ausgenommen sind natürlich die Gummistrampelhöschen. Die brettern vollgas auf die Kreuzung, nein, ÜBER die Kreuzung. Der Andere guckt dann schon. Und die strampeln auch bergab. Aber die sind auch mit Doping zugenebelt. An anderer Stelle habe ich mal über diese Gilde geschrieben.

Nun haben Trucks und Busse noch einen entscheidenden Vorteil: Das Gewicht. Einmal auf Reisegeschwindigkeit beschleunigt, kann ich getrost Gas wegnehmen: Meine 40 Tonnen schieben mich meilenweit gratis! Die Energie, welche ich für die Beschleunigung aufwänden muss, steht in keinem Verhältnis zum Gewinn! Wenn ein Trucker vorausschaut, kann er bei einem Rotlicht, einem Kreisel, einem Bahnübergang oder einer Kreuzung so früh vom Gas weg, dass der Truck einige hundert Meter gratis an das Ereignis rollt. Geschickt mit dem Retarder umgegangen, wird nicht mal die Bremsscheibe angewetzt. Man kann das sogar auf den PKW übertragen. Wieso haben wir im Auto die Angewohnheit, bis zum Bremsvorgang an einer Kreuzung stur auf dem Gas zu bleiben? Wieso gucken wir nicht einfach ein bisschen weiter voraus und lassen das Auto dann rollen? Naja, weils halt nicht so lässig-sportlich tönt und aussieht.

So, und nun üben wir das mal. Wir stellen ein Glas Wasser auf die Mittelkonsole und fahren einen Parcours von 16 Kilometern, bergauf, bergab, Kreuzungen, Ampeln, ausserorts und innerorts. Kein Tropfen darf überschwappen. Und dann: Geschafft! Die Messgeräte zeigen einen stark reduzierten Schnapsverbrauch und das elektronische Pendel zeigt noch einen weiteren, fast ungeahnten Vorteil auf: Die Kotz-Quote in einem Bus wäre auf praktisch null gesunken, weil die Fahrweise nahezu frei von Lastwechseln, Brems- und Beschleunigungskräften war. Und nun staune man: Die erste Runde fährt man im Kurs so, wie man es immer tat. Die zweite Runde nach allen Regeln der Kunst und eben mit dem ominösen Glas Wasser. Die zweite Runde dauerte in meinem Fall gerade mal 35 Sekunden länger!!! Wieviele Stress-Kilojoule ich dabei eingespart habe, konnte leider nicht auch noch gemessen werden, aber auch dieser Faktor dürfte - auf einen ganzen Arbeitstag hochgerechnet - immens sein. Daher: Free Eco-Drive-Training für jeden PW-Fahrer!
Anhang: Der Eco-Drive-Kurs für Trucker beinhaltet - je nach Anbieter - zusätzlich zahlreiche technische Details wie etwa die Funktionsweise des Wandlers in Automatik-Getrieben, das Ad-Blue-System bei Euro5 Aggregaten etc.

Donnerstag, 26. November 2009

Clichees, die keine sind


Feministinnen und Gutmenschen sollten diesen Beitrag vielleicht besser nicht lesen. Es geht nämlich um das, was besagte Gruppen als Clichees, Trucker aber als tägliche Realität bezeichnen. Doch trotz aller Maulkorb-Wut der Linken und Netten suchen Sie hier vergebens nach einem Vorwand für eine Rassismus-Klage.

Zunächst etwas erfreuliches: Neulich durfte ich fast so etwas wie Trucker-Weihnachten feiern. Ein Audi-Fahrer hat mir nämlich freundlich den Vortritt gewährt! Den hätte ich zwar schon von Gesetzes wegen gehabt, aber Xenonleuchten sind die bekanntesten Drängler und Egoisten, speziell wenn die Karren aus Bayern stammen oder eben vier Ringe tragen. Der absolute GAU ist die Kombination der drei "A": Audi, Aargauer Nummernschild und Abstehende Ohren. Was ich mit letzterem meine, müssen Sie schon selbst herausfinden...

Über Manta-Fahrer kann man heutzutage leider nicht mehr ablästern; es gibt sie nicht mehr. Aber all die herrlichen Manta-Witze kann man eins zu eins auf die Tuning-Bubis ummünzen. Sie sind punkto Intelligenz und Schrottquote den Manta-Fahrern ebenbürtig. Nur dass ihr Akzent etwas östlicher klingt.

Überhaupt philosophiert man auf langen Cruises hin und wieder über die Frage, was denn mehr Todesopfer forderte: Der tragische Balkan-Krieg oder der absolut unfähige aber nahezu kriminelle Fahrstil in und aus dieser Region.

Begegnet Ihnen auf offener Strasse ein Offroader, können Sie nur hoffen, dass der Fahrer ein Förster, Bootsbauer oder Bauunternehmer ist. Denn diese benötigen für ihren Job ein solches Fahrzeug und können damit auch umgehen. Trägt der Fahrer aber eine Kravatte, nehmen Sie Abstand! Denn in diesen Kreisen fährt man den SUV nicht, weil man ein besonders guter Fahrer ist. Eine blondierte, arme, reiche SUV-Mami brachte es neulich auf den Punkt mit der Aussage, sie möchte ihre Kinder mit einem sicheren Auto in die Schule bringen (!). Vom Tussi-Deutsch ins richtige Deutsch übersetzt heisst das: "Ich kann halt nicht so gut Auto fahren und brauche deswegen einen Panzer." Da lobt man doch den Mut jener Tussis, die noch keinen Karriereheini heiraten konnten, aber trotz Talentfreiheit stoisch und todesmutig einen Kleinwagen steuern (siehe dazu auch meinen Beitrag "Tussi" vom Dezember 2008).

A propos Östrogen. Der einzige Parkplatz, der letzthin vor dem Aldi noch frei war, war etwas eng, weil die Nachbarin auf der rechten Seite ihr Auto direkt auf die Markierung stellte. Dass sie bei ihrer Rückkehr aus dem Laden kaum noch einsteigen konnte, verdankt sie wohl kaum der Grösse meines PWs, sondern ihrer eigenen Parkierkunst. Was sie allerdings nicht daran hinderte, mich als "rücksichtslos" zu betiteln. Tja, Lady, wenn Sie so bumsen, wie Sie parkieren, kriegen sie ihn nie rein...

Vielleicht geht's ja im Kreisel besser. Aber denkste. Madam blinkt im Kreisel drin, und zwar links! Und plötztlich - schwupp! - ist sie aus dem Kreisel raus, immer noch links blinkend. Zur Repetition: Im Kreisel wird NICHT geblinkt, man kann ja eh nur in eine Richtung fahren. Aber vor dem Verlassen des Kreisels wird dies mittels Blinker angekündigt, damit der wartende Verkehr losrollen kann. Aber es ist nicht nur das Östrogen, welches einem vom korrekten Kreisel-Fahren abhält; auch viele Testosteron-Träger bekunden Mühe damit.

Und Testosteron kann noch etwas ganz anderes: Einem Truck am Arsch kleben und mittels Lichthupe anzeigen, man möchte doch bitte etwas schneller fahren. Notabene ohne zu bemerken, dass man auf diese Weise genau im toten Winkel des Trucks ist und von dessen Fahrer kaum bis gar nicht bemerkt wird. Und nun raten Sie mal, wieviele "A" bei diesem Fahrer vereinigt waren...

Samstag, 3. Oktober 2009

Der Star-Chauffeur


In fast jedem Transportbetrieb gibt es ihn. Manchmal sogar in mehrfacher Ausführung: Den Star-Chauffeur. Und obschon er diese Ansicht ganz und gar nicht teilt, ist er für die restlichen Kollegen DER absolute Gräuel. Doch woran erkennen wir die Diva unter den Truckern?

Rein äusserlich gibt es nur wenige und ungenaue Merkmale eines Star-Chauffeurs. Man könnte zum Beispiel den Seehund-Schnauz nennen. Allerdings ist dies ein recht ungenaues Indiz, denn nicht jeder Star-Chauffeur trägt eine Gesichtsbehaarung und in der Praxis trifft man gelegentlich auch mal auf einen äusserst angenehmen Seehund-Schnauz-Träger. Ein etwas sichereres Merkmal sind die Zoggeli an den Füssen. Etliche Star-Chauffeure bestehen auf diese Fussbekleidung, obschon sie (die Zoggeli) einen sowohl ästhetisch als auch sicherheitstechnisch das nackte Grausen lehren. Um die Star-Chauffeure auch im Winter zu befriedigen, haben findige Hersteller nun gar ein Modell mit Fellbezug auf den Markt geworfen.

Im Betrieb ist der Star-Chauffeur eigentlich ein recht angenehmer Zeitgenosse, denn er spricht Sie kaum je an. Wieso auch, er kennt Sie ja fast nicht, die einzige Gemeinsamkeit ist der Arbeitgeber! Beim Kreuzen wird sich der Star-Chauffeur auch kaum zu einem Gruss erniedrigen, insbesondere wenn Ihr Truck kleiner oder weniger Customized ist als seiner! Was natürlich keineswegs bedeutet, dass der Star-Chauffeur Sie ignoriert! Nein, ganz im Gegenteil! Im Klandestinen wird jeder Ihrer Handgriffe penibel überwacht und Ihr Truck wird jeden Abend diskret aber gründlich nach neuen Kratzern oder Beulen untersucht. Der Star-Chauffeur braucht das, um seinen Diva-Status gegenüber sich selbst und seinen Kollegen zu bestätigen! Denn ER macht schliesslich weder Kratzer noch Beulen in seinen Truck, sondern kommt extra sogar Samstags in den Betrieb, um die Chromfelgen, welche er notabene aus dem eigenen Sack bezahlt hat, zu polieren. Oder er nimmt den Truck übers Wochenende gleich mit nach Hause, um stets in seiner Nähe zu sein. Und vielleicht auch um den Nachbarn zu zeigen, dass er ein Star-Chauffeur ist.

Hin und wieder treten Star-Chauffeure in Gruppen auf, etwa an den Stammtischen berühmter Trucker-Kneipen oder an Festivals. Dann sind sie allerdings nicht mehr so humorlos und ruhig, sondern übertrumpfen sich mit Geschichten und Erlebnissen. Das Thema? Natürlich Trucking! Hin und wieder werden dann auch Patzer zum Besten gegeben, allerdings nie eigene, sondern stets solche von (nicht anwesenden) Kollegen. Das sind natürlich alles Trottel, die nichts können ausser - siehe oben - Kratzer und Beulen in den Truck zu machen und sowieso ist es ja schade, ausgerechnet dem einen solchen Truck zu geben und überhaupt! Und jeder in der illustren Runde kann noch besser rückwärts fahren und hat noch mehr erlebt und hat die Polizei noch cleverer ausgetrickst und versteht noch mehr vom Gewerbe und ist der noch grössere Platzhirsch.

In den inzwischen obligatorischen Weiterbildungskursen für Trucker findet sich auch hin und wieder ein Star-Chauffeur. Sie outen sich im Gremium auf zwei verschiedene Arten: Entweder lassen sie den Kurs schweigend und stoisch über sich ergehen, da sie ja ohnehin schon alles können und den Kurs im Gegensatz zu allen anderen gar nicht nötig hätten. Oder sie versuchen ebendies zu beweisen, indem sie sich mit dummen Fragen, halbwitzigen Zwischenbemerkungen oder Zündeleien gegen den Dozenten profilieren.

Wie gesagt, die beschriebene Spezies existiert tatsächlich und ist keineswegs vom Aussterben bedroht. Obschon zumindest wir Mavericks unter den Truckern einen grossen Bogen um die Star-Chauffeure machen oder uns zumindest hinter vorgehaltener Hand den Ranzen über die Diven volllachen.

Samstag, 22. August 2009

Merz oder Recht?


Also wirklich, es fängt an, total Spass zu machen in der Schweiz. Ich meine, ich muss Ihnen unbedingt erzählen, was mir neulich so passiert ist. Da fahre ich mit meinen lächerlichen 50 Tonnen durch Genf. Von der Route du Nant d'Avril biege ich - da eilig - quietschend auf den linken Rädern in die Route de Satigny ein. Naja, da ist zwar 50 KmH markiert, aber ich habs eilig und drücke den Truck auf die Plombe, also auf 90. Wo liegt das Problem?

Und dann blitzt mich doch tatsächlich so ein dämlicher Blechsheriff. Sein biologischer Kollege trampt mir - die Frechheit auf die Spitze treibend - einige Meter weiter vorne vor den Truck und nötigt mich zu einer Vollbremse. Er und seine Kollegen demütigen mich in der Folge zutiefst, indem sie meine Tachoscheibe sehen wollen, die Ladung und deren Sicherung begutachten, mich dem Untersuchungsrichter zuführen wollen und auch noch verhören!!!

Bei einer Grossbäckerei in der Nähe habe ich dann die Serviererin höflich in meine LKW-Kabine gebeten und dann den Truck verriegelt. Tja, mitten auf der Strasse.

Dann rief ich Bern an. Zunächst wollte ich mit einer Person sprechen, welche dem Clown Dimitri sowohl optisch wie auch politisch sehr ähnlich sieht. Diese Person konnte mir allerdings nicht helfen, da sie - im Gegensatz zu Dimitri - gerade an einer Kopftuchmodeshow war, um sich für den nächsten Besuch eines Clochards im näheren Osten zu rüsten.

Stattdessen wurde ich mit einem Klon von Louis de Funès verbunden. Ich forderte von diesem Typen, dass meine Busse mit sofortiger Wirkung aufgehoben würde. Ferner sollte er sich demütigst öffentlich bei mir entschuldigen, wofür auch immer. Ich bat ihn ausserdem, sich meinen Truck zu merken, auf dass ich IMMER überladen durch Genf rasen darf, ohne je wieder belangt zu werden. Der blitzende Blechpolizist soll öffentlich verschrottet werden und die ausführenden Beamten sollen fortan bei der städtischen Müllabfuhr arbeiten. Ein unabhängiges Gericht (welches von meinem Papi bezahlt wird) soll des weiteren beweisen, dass ich von der Genfer Polizei ungerechtfertigt beleidigt und mein Truck maschinenverachtend gefoltert wurde.

Dieser Funès-Klon, der sich dann als Herrn April vorstellte, sprach bei einem unserer Hilfs-Lageristen vor und unterzeichnete meine Forderungen, schmierte dann noch schnell unsere Hubstapler und wischte mit seinen Hosenbeinen als Dank für unsere Gastfreundschaft noch unseren Boden.

Ach ja, und die Tussi in meinem Truck? Hey, die ist nicht nur sympathisch und sexy, sondern auch wertvoll! Und über die steht gar nichts im Vertrag zwischen dem Hilfsmagaziner und Herrn April! Die behalte ich noch eine Weile. Will ja schliesslich auch meinen Spass.

Und am nächsten Morgen bin ich in meiner Kabine aufgewacht und habe bemerkt, dass ich ja gar kein Kameltreiber bin und deshalb selbst eine kleinste Verfehlung schmerzlich verantworden muss.

Mittwoch, 5. August 2009

Mistgewerbe Gastgewerbe


Mit ziemlich schlechtem Gewissen nehme ich zur Kenntnis, dass ich seit Mai keinen Beitrag mehr gepostet habe. Das mag daran liegen, dass ich kaum noch on the road war. Dies soll aber keine Ausrede sein, denn an Themen hätte es mir wahrhaftig nicht gefehlt. Nun aber gehe ich, nach drei Monaten im Gastgewerbe, wieder auf Achse. Hier ein kleiner Rekurs auf die letzten drei Monate:

Meine Mini-Odysee durch die Gastronomie (mit all ihrer Eventitis und Schicki-Micki-Gebahren) zeigte mir eindrücklich, dass das Gros der Menschheit tatsächlich noch blöder ist, als man gemeinhin denkt. Beispielsweise folgende, alltägliche Dialoge. Kellner: "Guten Tag!" Gast: "Flasche Bier." Mit der Zeit sagte ich dieser Art Gast, ich hätte nicht nach seinen Wünschen gefragt, sondern ihn erst einmal begrüsst. Oder dies. Kellner: "War das Essen gut?" Gast: "Kafi Creme."

Oder jene, welche kaum richtig sitzen und schon händeringend nach dem Service rufen. Ey Leute, das Servicepersonal sieht Euch auch so und kommt, sobald es kann! Und wenn Ihr keine Zeit habt, geht gefälligst in eine Selbsbedienungs-Kneipe!

Am schlimmsten sind jeweils die Sonntags-Gäste. Während man unter der Woche noch den einen oder anderen Geschäftsmann bedient, werden die Kneipen an den Wochenenden von den Ausflüglern und Bünzli-Familien bevölkert. Man hat gemeinhin ein etwas niedrigeres Budget und hat null Erfahrung im Auswärtsessen, muss aber unbedingt trotzdem in eine Beiz. Das zeigt sich dann an den langen Gesichtern der Gäste, sobald sie die Preise auf einer schönen Terasse sehen. Und der Konsumation. Das Eis wird grundsätzlich mit zwei Löffeln bestellt, der Tisch aber stundenlang blockiert und von den Bälgern mit Schoggisauce verschmiert.

Interessant ist auch festzustellen, dass die Sonntags-Gäste oft sehr in Eile sind. Da kann man ganze Tischreihen beobachten, welche mit erhobenem Finger verzweifelt nach dem Service rufen, aber die Jacke noch nicht mal ausgezogen haben. Und wieder: Nehmt Eure Finger runter. Man hat Euer Kommen längst bemerkt und wird sich zu gegebener Zeit um Euch kümmern.

Und dann gibt es noch jene, welche trotz gutem und freundlichem Service kein Trinkgeld geben. Oder noch schlimmer: den Rechnungsbetrag von CHF 149.90 auf 150.00 aufrunden lassen. Letzteren gab ich die 10 Rappen jeweils wieder zurück, da ich das offensichtlich sehr bescheidene Haushaltsbudget nicht noch weiter belasten wollte. Man wundere sich nicht, wenn man beim zweiten Besuch des entsprechenden Lokals nicht mehr ganz so aufmerksam bedient wird. Priorität haben immer jene Gäste, von denen man weiss, dass sie ein angemessenes Trinkgeld springen lassen.

Nun ist der Gast ja von Gesetzes wegen nicht verpflichtet, dem Service ein Trinkgeld zu geben. Trotzdem gebietet der Anstand die Honorierung eines guten Services. Insbesondere wenn man bedenkt, dass der Geschäftsführer eines Hauses, welches zu einer Gastro-Kette gehört, weniger verdient als ein stinknormaler Trucker, aber locker auf 12-Stunden-Tage kommt. Da darf man sich getrost überlegen, was ein Serviceangestellter ende Monat so bekommt, trotz der dämlichen Gewerkschafts-Erfindung "Service imbegriffen".

Und dann war da noch das Frühstücksgeschmiere, die "helle-Schale-koffeinfrei-Süssstoff-Omas", die möchtegern-mondänen Latte-Machiato-Tussis, die jungen Mamis, die mit ihren Offroad-Pampers-Schubkarren die ganze Terasse blockieren und die deutschen Bus-Touri-Rentner aus dem Schwarzwald, die nicht kapieren, warum wir ihre Euros nur in Scheinen akzeptieren und das Rückgeld in Schweizer Franken ist. Mache, wer wolle, das Mistgewerbe Gastgewerbe ist für mich out. Ausser als Gast. Und zwar als möglichst angenehmer.

Wow, ist so ein Truck unkompliziert!

Dienstag, 14. April 2009

One Night in Bangkok


Truckern unterstellt man hin und wieder gewisse Dinge. Thailand im allgemeinen und Bangkok im speziellen ebenfalls. Verknüpft man nun diese Unterstellungen miteinander, könnte man leicht zum Schluss gelangen, dass ich Ostern aus einem ganz speziellen Grund in Bangkok verbrachte. Dies sei hiermit in aller Klarheit dementiert!

Im Vorfeld meines Städtetrips wurde mir von verschiedenster Seite beschieden, dass Bangkok - bei allem Charme - eine sehr hektische, lärmige und chaotische Stadt sei. Der Verkehr breche regelmässig zusammen und damit das gesamte System der Stadt. Vorab: Mit dem Truck möchte man nicht unbedingt bis ins Stadtzentrum vordringen.

Ich erlebte den Verkehr allerdings als recht gesittet und diszipliniert. Es wird höchst selten gehupt, man sieht keine verworfenen Hände, keine Stinkfinger, keine Schreihälse. Zumindest empfand ich dies so. Das mag natürlich daran liegen, dass ich mit dem Truck des öfteren im Zürcher Stossverkehr hängenblieb und mich deshalb einiges gewohnt bin. Und tatsächlich: Am Freitag blockierten Demonstranten die Strassen rund um das Victory Monument und mein Taxi stand eine knappe Stunde still. Man wähnte sich tatsächlich eine kurze Zeit in Zürich, ausser eben dass die Thais weder hupten noch fluchten noch drängelten.

Der öffentliche Verkehr funktioniert hervorragend, die Metros sind blitzsauber und sicher, der Sky-Train beschert einem nebst einem schnellen Vorankommen auch herrliche Ausblicke auf die City. Ebenfalls sehr erlebnisreich und effizient sind die Kursschiffe, welche im 20-Minuten-Takt flussauf und -ab fahren; für gerade mal 13 Bath, also etwa 50 Räppli. Auch Metro und Sky-Train sind ausgesprochen preiswert.

Allerdings ist das Netz des ÖV noch ausbaufähig. Geplant ist ein Sky-Train, welcher vom Flughafen in die Innenstadt führt. Bislang stehen auf dieser Strecke nur Shuttlebusse und Taxis zur Verfügung. Auch grosse Teile der Stadt sind per ÖV nicht erreichbar. Ich liess mir allerdings sagen, dass man das Problem erkannt hat und daran arbeitet. Und Thais sind genauso diszipliniert und arbeitsam wie wir es sonst nur für uns Schweizer in Anspruch nehmen. Sofern es die politische Situation also erlaubt, dürfte es schon bald noch ruhiger und gesitteter zugehen auf Bangkoks Strassen.

Andererseits: Für 100 Bath, etwa CHF 3.50, fährt man mit dem Taxi durch die halbe Stadt.

Dienstag, 7. April 2009

Die Trucker-Rente


Ich muss um Entschuldigung bitten, dass mein allsonntäglicher Post diese Woche mit massiver Verspätung aufgeschaltet wurde. Der Grund liegt darin, dass ich per 31. März meinen Truck-Schlüssel an den Nagel gehängt habe und nun die Trucker-Rente geniesse. Konkret: Ich war einige Tage ausser Landes und genoss die freie Zeit. Dies wird übrigens auch über Ostern so sein: Ich fliege kurz nach Bangkok, eine Stadt, welche ich schon immer mal sehen wollte.

Aber was macht ein Ex-Trucker nach Jahren auf dem Bock? Die einen bleiben dem Metier treu und fahren selbst in biblischem Alter, als Methusalems, noch Reisebusse. Und parkieren sie gelegentlich am Grossen Sankt Bernhard in einer Apotheke, welche dummerweise direkt in der Kurve steht. Gut möglich, dass der besagte Rentner-Chauffeur dort noch schnell sein Insulin beziehen wollte. Ich meinerseits hätte wohl eher die Kneipe gleich nebenan bevorzugt.

Andere Ex-Brummer geniessen die Früchte ihrer langen Fahrt im Schrebergarten, am Stammtisch oder im Kegelclub, während Sport in unseren Kreisen eigenartigerweise wenig gepflegt wird. Eigenartig deshalb, weil sich gerade im Bereich Überland-Trucking ein eklatanter Bewegungsmangel einstellt.

Da ich meinerseits noch zwei, drei Jährchen zu jung bin um gänzlich die Arbeit niederzulegen, beschloss ich, bei einer Kneipe anzuheuern. Wobei ich mit "Kneipe" doch ein ziemlich gehobenes Etablissement meine. Selbstverständlich werde ich diesen Blog als Ex-Trucker weiterführen, die Themen dürften allerdings in Zukunft allgemeiner gehalten sein und nicht mehr ausschliesslich vom Trucking handeln. Aber zuerst mal fliege ich, wie gesagt, nach Bangkok. Frohe Ostern allen!

Sonntag, 29. März 2009

Die Gümmeler


Kaum lugen scheu die ersten Sonnenstrahlen durch den grauen Winterhimmel, kriechen sie aus allen Löchern und bevölkern die Strasse, gleich Insekten, die bei der ersten Wärme schlüpfen und in Scharen die Menschheit piesacken.

Die Rede ist von den Gümmelern. Mit kämpferisch verzerrter Miene strampeln sie bei den ersten Frühlingszeichen wieder gegen ihre Midlife-Crises und den Winterspeck an. Radstreifen und sonstige Verkehrsregeln werden konsequent ignoriert, da nur (und das sei betont!) der Asphalt der eigentlichen Strasse zart genug ist um die Collies nicht zu beschädigen! Da keiner dem anderen eine Windschattenfahrt gönnt, strampeln die Gümmeler mit Vorliebe nebeneinander. PW-Fahrer mögen dies verständlicherweise nicht besonders, aber wer sich beschwert, erntet mindestens einen Stinkfinger. Als Trucker wiederum bin ich froh, wenn die strampelnde Zunft nicht hintereinander fährt, denn ich muss eh auf die Gegenfahrspur, um Gümmeler zu überholen. Umso kürzer das Fahrerfeld, umso schneller kann ich wieder einspuren.

Ein Vermuthstropfen: Der Anblick eines Gümmelers ist höchst erbaulich! Noch ist das sexy Gummistrampelhöschen wegen den kühlen Temperaturen lang geschnitten, ähnlich wie Leggins. Über die Sidi-Schalenschühchen trägt der Gümmeler aus demselben Grund eine Art Söckchen; nicht selten sogar in Weiss! Die Augen werden von einer windschlüpfrigen, orange-beglasten Brille verdeckt und auf dem Kopf tragen die Strampler einen salatschüssel-ähnlichen Helm, der an Komik nur noch durch das nach hinten spitz zulaufende Modell von Tony Rominger getoppt werden kann. Man stelle sich einen Komiker vor, der so gekleidet auf die Bühne tritt. Er müsste kein Wort sagen und hätte trotzdem jeden Lacher garantiert!

Nun ist Radfahren zweifellos ein wunderschönes Hobby. In den Bergen, mit dem Bike. Aber bislang konnte ich noch nicht herausfinden, was daran so toll sein soll, mitten in den Abgasen des motorisierten Verkehrs einen Hochleistungssport zu betreiben. Ganz abgesehen vom (oft selbstverursachten) Stress mit wütenden Automobilisten und der hochkonzentrierten Dopingbelastung! Und letztere soll ja bekanntlich sogar Hodenkrebs geben. Allerdings soll es sich dabei scheints um ein mutiertes Karzinom handeln, mit welchem man sogar noch Strampel-Weltmeister werden kann. Aber eben nur, wenn der Dopingblutspiegel stimmt.

Die Antwort auf diese Frage muss offenbar tatsächlich bei den Midlife-Crises und dem Winterspeck gesucht werden. Oder bei seniler Bettflucht oder einer Reiherente (berndeutsch für eine nicht mehr so furchtbar geliebte Ehefrau) zu Hause. Aber mir kann's ja egal sein; meine Truckerzeit nähert sich dem Ende zu. Also Gümmeler: Bald schon einen Feind weniger auf der Strasse!

Dienstag, 17. März 2009

Einblick in die Novartis-Mentalität

Letzten Dienstag hatte ich das zweifelhafte Glück, eine Komplettladung an die Novartis Sankt Joseph in Basel liefern zu dürfen. Mangels Ausschilderung der Warenannahme in diesem gigantischen Firmenareal (siehe Bild) folgt der ortsunkundige Trucker dem Schild "Novartis Campus". Dort befindet sich tatsächlich ein Tor mit Portier - aber auch ein LKW-Verbot. Der "Campus" ist offenbar der Eingang für die höheren Kader von Novartis, zumindest anhand der dort anzutreffenden Kravattendichte. Der freundliche Portier erklärte mir aber sehr routiniert den Weg zum Zentralmagazin, was mich allerdings mitten auf dem Platz zu einem Wendemanöver mit meinem Anhängerzug nötigte.

Offenbar fühlte sich ein kravattierter BMW-Offroader-Fahrer bei seiner Einfahrt in den "Campus" durch meinen Truck etwas behindert, was ihn beim Kreuzen veranlasste, mich mit "you are an asshole!" zu begrüssen. Nachdem ich diesem Schlipsfritz auf die selbe Art und in der selben Sprache meinerseits einen guten Tag wünschte, überlegte ich mir, ob dieser wohl ein Exemplar jener ach so wertvollen, gut ausgebildeten Immigranten ist, welche den Beführwortern der Freizügigkeit die Argumentation lieferten und ohne die wir Schweizer ja ach so arm dran wären. Wenn ja, dann geraten vor allem Linke in einen Gewissenskonflikt: Handelt es sich hierbei um die von Linken fast vergötterte Arroganz der Konzerne und des Kapitals, oder ist dieser Schnösel lediglich ein armer reicher Immigrant, der sich mit unseren Gepflogenheiten halt noch nicht so gut auskennt?
So oder so, ich stehe dazu, dass sich meine Abneigung gegen die Freizügigkeit seit vergangenem Dienstag noch ein wenig intensiviert hat. Ferner fragte ich mich, was diesen Kravattenständer veranlasste, so die Kontrolle über sich zu verlieren. Und da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wie wär's mit mit einem zu hohen Konsum von Novartis-Produkten? Unsinn; bleiben wir ernst.
Eine Möglichkeit besteht darin, dass besagtes Alphatierchen ein Morgenmuffel ist. Es war ja schliesslich auch erst etwa halb Zehn, und es ist hinlänglich bekannt, dass dies für etliche Büroheinis noch mitten in der Nacht ist. Ist ja auch wahr: Da stürcheln hunderte rotgekleideter UNIA-Funktionäre durch die Produktionshallen und heulen auf, wenn ein Arbeiter schmutzige Finger bekommt. Aber wenn Herr Vasella die unmenschliche Unverfrorenheit besitzt, seine Kaffe-und-Gipfeli-Sitzungen in aller Hergottsfrühe um Zehn anzusetzen und auch noch Pünktlichkeit erwartet, dann ist das den UNIA-Typen egal. Da muss man ja jemanden als Arschloch betiteln.
Es könnte auch sein, dass Schlippsie pikiert war, weil er "nur" einen BMW-Offroader statt einen Porsche Cayenne als Firmenwagen zur Verfügung gestellt bekam. Das weist ihn nämlich lediglich als mittleres Kader aus, wenn man SRG Idée Suisse als Referenz nimmt. Besonders schmerzlich ist diese Erkenntnis, wenn man bedenkt, dass das Fahrzeug, welches ich an jenem morgen durch den "Campus" steuerte, teurer ist als BMW und Porsche zusammengezählt. Und dass der BMW aus der Perspektive des Trucks ein Kleinwagen ist, dem man vom Fahrersitz aus die Hagelbeulen auf dem Dach zählen kann. Grund genug, den Fahrer des Trucks als Arschloch zu betiteln.
Doch am wahrscheinlichsten ist folgende These: Der Novartis-BMW-Mittelkader-Kravattenständer generiert durch Massnahmen zur Gewinnmaximierung, Optimierung des Shareholder-Values, unpopuläre Entscheidungen, pragmatisches Vorgehen und unglaublich vielen Business-Lunches ungleich mehr Wertschöpfung als etwa ein Trucker, der so gemütlich ein bisschen seine Runden dreht, einem aus reinem Spass hin und wieder in den Weg steht, sich gelgentlich mal ein Elefantenrennen genehmigt und sich ansonsten ein schönes Leben gönnt. Und wer so genial und global wichtig ist wie Nadelstrefen-Charly, dem fällt Bescheidenheit zuweilen schwer. Ja, das ist schliesslich der Manager-Stress, wenn mal wieder das Patent für ein Medikament abgelaufen ist und die Alte auch noch Migräne hatte. Und dann kommt einem noch so ein tätowierter Trucker geschliffen, bloss weil man ihn als Arschloch betitelte!
Das Schöne an der ganzen Sache ist: Bei Novartis-Kaderleuten weiss man offenbar stets, woran man ist. Und was man von letzteren halten muss. Wenn sich dereinst bei mir die typischen Trucker-Beschwerden wie Rückenprobleme und dergleichen bemerkbar machen, kann ich nur hoffen, dass mich Novartis als Kunden oder Patienten und nicht als Arschloch bezeichnet.

Sonntag, 15. März 2009

Musik im Truck


Trucker hören Countrymusik. Punkt. Soweit das Clichée. Dies mag zuweilen sogar zutreffen, insbesondere an Festivals, obschon auch dort Jahr für Jahr weniger Cowboys rumstiefeln. Dass nun aber in jeder Kabine Hank Snow oder Johnny Cash aus den Boxen scheppert, ist das Wunschdenken von Trucker-Romantikern. Aber woher stammt dieser musikalische Vergleich zwischen Cowboys und Truckern?

Es ist denkbar, dass in beiden Branchen ausnehmend viele Mavericks arbeiten, dass in diesen Berufen das Freiheitsgefühl besonders gross und die Kameradschaft intensiver ist als in anderen Arbeitsbereichen. Viel mehr Gemeinsamkeiten zwischen Cowboys und Truckern sehe ich beim besten Willen nicht.

Dennoch; die amerikanischen Trucker verkörperten mit ihren chromblitzenden Dieselvernichtern während Jahrzehnten das Symbol des American Way of Life und der grenzenlosen Freiheit. Genau dies wurde in den Cowboy-Songs auch besungen, beispielsweise von Michael Martin Murphey. Als Trucker wie ein gewisser Dave Dudley und seine Kumpels auf ihren Gitarren amerikanische Volklore spielten, die Cowboy-Texte aber zu Highway-Texten umschrieben, begann der Siegeszug der Trucker-Country-Songs. Dank Künstlern und Bands wie Truck-Stop, Jeff Turner, Tom Astor oder dem leider vor einiger Zeit verstorbenen John Brack ist dieses Genre auch in Europa längst ein fester Bestandteil der Musik-Szene. Und die meisten Cowboys an den Truck-Festivals sind gar keine Trucker, sondern Country- und Western-Fans.

Vielleicht wollen Sie wissen, was in meiner Hütte läuft. Und ich muss Sie enttäuschen: Praktisch keine Country-Musik. Zwischendurch DRS3, wegen der Nachrichten, den Verkerhsmeldungen und der Tatsache, dass ich diesen Sender praktisch in der ganzen Schweiz empfangen kann. Aber mit Sicherheit nicht wegen den Musikredaktoren, die einen von ihnen für gut befundenen Song so oft abspielen, dass er einem mit der Zeit wie gelber Eiter aus den Ohren trieft und man sich tunlichst hütet, die entsprechende Single käuflich zu erstehen (aktuelles Beispiel: The Boy does Nothing von Alesha Dixon- äääächz!!!).

Normalerweise aber lasse ich die Damen und Herren Dream Theatre, Savatage, Annihilator, Oceana (nein, nicht die Pop-Tussi, sondern die Rockband), Whithin Temptation oder gelegentlich Iron Maiden krachen. Und wenn es eine romantische Sonnenuntergangs-Fahrt mit Arizona-Feeling sein soll, dann darf auch mal die 80-er Popsirene Sandra ihre vor Sehnsucht und Fernweh triefende Girlie-Stimme durch die Boxen hauchen. Dave Dudleys akustische Droge fährt erst dann ein, wenn man dazu real in einem Pick-Up durch das Monument Valley brettert.

Sonntag, 8. März 2009

Parkplatznot


Das vermutlich grösste Problem im Alltag des Truckers ist der akute Mangel an LKW-Parkplätzen. Wer mit einem Anhängerzug oder einem Sattelmotorfahrzeug daherkommt, der parkiert nicht einfach eben in der blauen Zone um sich am Kiosk ein Snickers zu kaufen. Nein, es bedarf einer ziemlich grossen Fläche, um das Fahrzeug auch nur für ein paar Minuten abzustellen.

Dabei ist zu beachten, dass Berufsfahrer gesetztlich geregelte Zwangspausen einhalten müssen. Tun wir dies nicht, bezahlen wir - sofern wir dabei ertappt werden - ein schönes Scherflein an die Saläre unserer Freunde und Helfer. Nach meinem Rechtsverständnis ist es allerdings so, dass der Gesetzgeber dem Bürger die Möglichkeit geben muss, die Gesetze auch einhalten zu können. Wenn ich aber mangels Parkplätzen meine Zwangspausen nicht einhalten kann, dann ist dies meines Erachtens nicht der Fall und der Trucker sollte nicht gebüsst werden können. Zumindest sofern er nachweisen kann, dass er vergeblich einen freien Platz suchte. Naja, die Praxis ist halt auch hier etwas anders.

Eine andere Facette dieses Problems ist der Anhänger. Muss man eine Innenstadt beliefern oder eine Firma, bei deren Bau der Architekt vergass, dass ein LKW ein paar Zentimeter grösser ist als ein Smart, tut man gut daran, den Anhänger irgendwo zu deponieren und das Ziel nur mit dem Motorwagen anzufahren. Doch wo soll man den Rucksack hinstellen? Ein absolutes No-Go ist meiner Meinung nach der Parkplatz eines Trucker-Restaurants (ausser man nimmt dort das Mittagessen ein und fragt den Wirt höflich um Erlaubnis). Ebenfalls ungeeignet ist eine Raststätte, da man dort mit dem Anhänger einen Parkplatz blockiert, der vielleicht für eine Zwangspause dringend benötigt würde.

Die idealen Parkplätze bei Einkaufscentern, Industriezonen und dergleichen werden nach und nach für LKWs gesperrt, das heisst, die Zufahrten werden entweder mit Balken auf zwei Metern Höhe oder mit Granitblöcken für Trucks unmöglich gemacht. Wieso dies so ist, entzieht sich meiner Kenntnis, aber der Verdacht der reinen Schikane gegenüber Truckern drängt sich fast penetrant auf.

Ist man gezwungen, auf einer Raststätte zu übernachten, empfiehlt es sich dringend, sich spätestens um 17.00 dort einzufinden, weil man danach kaum noch einen freien Parkplatz findet. Freilich kann man drängeln, quetschen oder den LKW bis zur Einfahrt in die Raststätte an den Strassenrand stellen, den Arsch beinahe draussen auf der Autobahn. Eine ruhige Nacht hat man dann aber nicht mehr; mit einem Auge ist man stets wach und bereit, die Karre auf polizeiliches Geheiss wegzustellen.

Dieser leidige Trend löst einen Teufelskreis aus. Mangels Parkplätzen für Trucks und Anhänger sind die Trucker gezwungen, immer frecher und agressiver zu parken, was Anwohner und Grundbesitzer wiederum verärgert und sie veranlasst, noch mehr Granitblöcke oder Balken zu verlegen.

Angesichts dieser Situation muss sich KEIN Pw-Fahrer, Camper oder Handwerker wundern, wenn er seine Laube auf einen LKW-Parkplatz stellt (siehe Foto oben) und dann von Truckern ziemlich übel angepfiffen wird. Denn kleine Fahrzeuge - auch Wohnmobile und Caravans - haben auf Truck-Parkplätzen DEFINITIV nichts verloren.

Donnerstag, 26. Februar 2009

Für kleine Jungs - on the Road


Vor einiger Zeit schrieb ich über Scheisstage und wie ein klassischer Scheisstag idealerweise aussieht. Ich ging allerdings nicht auf jene Tage ein, welche die Bezeichnung "Scheisstag" ausschliesslich des Wortes wegen verdienen. Dies sei hiermit nachgeholt.
Diese Tage beginnen normalerweise kurz nach vier Uhr Morgens, nach dem ersten Kaffee, mit einem fiesen Gurgeln im Achterschiff-Bereich. Sozusagen ein gastrales Grüsslein vom Vorabend. Man entledigt sich dieses Gurgelns elegant und bequem auf dem heimischen Klo, ehe man das Haus verlässt.
In der Bude, nach dem Genuss einer chemischen Brühe, welche unter dem Label "Automatenkaffee" verkauft wird, macht sich das Gurgeln abermals bemerkbar. Man wusste es ja schon immer: Finger weg von diesem scheusslichen Blechmonstrum mit seinen ekligen Ausscheidungen, welche auch noch den Geruch des Plastikbechers annehmen. Und trotzdem tut man es immer wieder. Aber auch hier ist die Lösung des Problems ausgesprochen unkompliziert: Die Latrine ist gleich um die Ecke.
Dann aber, pünktlich um fünf Uhr, beginnt der Cruise. Nach etwa einer Stunde dann das erste Hüngerchen. Man erlabt sich an Schokolade oder an meinem persönlichen Suchtmittel: Kiloweise Basler-Läckerli. Doch dann, ohalätz: Gurgelrumpelgurgel! Und das ausgerechnet noch mehrere Lichtjahre vom nächsten Parkplatz entfernt!
Endlich kommt das erlösende blaue Schild mit dem weissen "P" drauf in Sicht. Noch tausend Meter, noch fünfhundert; der Tempomat noch immer auf Lichtgeschwindigkeit eingestellt, im letzten Moment eine Punktlandung mit Sicherheitsgurt-Belastungsprobe. Um dann festzustellen, dass sämtliche Truck-Parkplätze belegt sind; vornehmlich mit Wohnwagen.
Also wieder beschleunigen, weg hier, durchhalten, der nächste Parkplatz ist nur einige Sonnensysteme weit entfernt. Das Gurgeln nimmt eine bedrohliche Dimension an, insbesondere wenn man erkennen muss, dass dieser Parkplatz wegen einer Baustelle gesperrt ist.
Nun denn, weitergurgeln, bis die Raststätte kommt. Das dauert zwar etwas, dafür ist das Klo dort sauber und angenehm, mit Hintergrundmusik und frei von andersgestrickten Spannern. Aber dafür mit Einfränkler-Automat. Ein Blick in den Geldbeutel zeigt, dass man nur noch über Zehn- und Zwanzigrappenstücke verfügt. Der Wechselautomat wechselt von Gross nach Klein, aber leider nicht umgekehrt. Auch hier scheint so etwas wie eine Hierarchie zu spielen. Und unweigerlich denkt man an eine namhafte Spedition. Nicht bewusst, und nicht, weil sich diese Spedition speziell negativ oder positiv profiliert hätte. Nein, der Name ist es. Das einzige Wort, welches man im Moment nämlich klar denken und aussprechen kann ist "Mmmurrpfff...".
Die freundliche Dame an der Kasse wechselt den Münz-Schrott gerne und der Erlösung steht somit nichts mehr im Wege. Sie (die Dame) verkauft einem auch gerne einen Kaffee danach und zieht dem Preis für die Konsumation den investierten Gurgel-Franken wieder ab. Auf dass dieser Kaffee den ganzen Gurgel-Kreislauf wieder von vorne in Gang bringt.

Sonntag, 22. Februar 2009

Sei mir gegrüsst, liebe Krise!


Nun hat die vielzitierte Wirtschaftskrise auch die Transportbranche erreicht. Endlich haben es die Kravattenständer geschafft, dass auch wir Trucker unseren Fun haben. Es hat lange gedauert, und ich habe schon fast befürchtet, dass es gar nicht eintreffen würde. Aber gemäss neusten Gerüchten können wir beruhigt sein: Auch die Trucker hat's getroffen.

Besagte Gerüchte wissen zum Beispiel, dass der grösste Transporteur der Schweiz dutzende LKWs stillgelegt, respektive die Nummernschilder abgegeben hat. Dass die betroffenen Fahrer nun dank der Wirtschaftskrise sehr viel Freiheit haben, versteht sich von selbst. Dass diese Freiheit auch das Ende der Krise überstehen wird, dürfen die betroffenen Trucker dem Abstimmungsresultat vom 8. Februar verdanken, denn bei der Reaktivierung ihrer Trucks wird bestimmt "Vaclav, Jezdo, Miroslav oder Dildo (Gibt's letzteren Namen überhaupt? Oder klingt er einfach lustig östlich?)" auf dem Namenschild stehen. "Sepp" oder "Franz" wird definitiv zu teuer sein.

Eine andere, uns nicht ganz unbekannte Bude mit Sitz in der Nähe von Dagmersellen (man trifft die braunen Volvo Auto- oder Kühltransporter etwas zu oft auf der linken Fahrspur an) fand - wiederum gemäss glaubhaften Gerüchten - eine andere Methode, teure "Sepps" und "Franzen" loszuwerden. Der Chef persönlich soll mit dem Alk-Testgerät eines Montagmorgens in der Bude gestanden und seine Trucker auf Restalkohol getestet haben. Wohl auf der verzweifelten Suche nach einem Kündigungsgrund. Naja, ICH hätte ihm in diesem Moment sogar einen Grund für eine FRISTLOSE Kündigung gegeben: Ein Veilchen. Aber da ich für besagten Betrieb selbst bei einer Hungersnot nicht arbeiten würde, kann ich über diese Story allenfalls weise nicken.

In unserem Betrieb zeigt sich die Krise etwas kreativer, wenngleich weniger unterhaltsam. Mit Ausnahme des vergangenen Freitags, als mein Chef glaubte, für mich keine Arbeit per Montag zu haben (was sich am Freitag Abend, mitten in meinem Freitags-Besäufnis, als Irrtum herausstellte), waren wir Trucker immer voll ausgelastet.

Mein Pech ist allerdings, dass ich seit drei Monaten einen Anhängerzug fahre, dessen Motorwagen zu allem Übel auch noch mit einer hydraulischen Hebebühne ausgerüstet ist. Da dies nun der Fall ist und man einen Anhängerzug per Definium auch ohne Anhänger bewegen kann, bietet sich ein solches Gerät mit samt Fahrer auch als Stückgut-Schleuder an.

Und Stückgut ist nun wirklich - gelinde gesagt - ein Bisschen anders als meine gewohnte Überland-Tätigkeit. Im Jargon nennen wir das Jugo-Tour und man kommt sich tatsächlich vor wie ein DHL-Jugo mit etwas grösserem Fahrzeug. Kistchen hier, Päcklein dort. Siebter Stock? Mit Vergnügen, der Herr. Im Keller? Ist mir eine Freude, Monsieur! Lieferung gleich montieren? Stets zu Diensten, Gnädigste! Was, der LKW, steht im Weg? Klar, Sir, Ihr Durchfahrtsrecht geht über mein Arbeitsbedürfnis! Und das bis zu dreissig (!) Mal am Tag.

Man überlegt sich dann plötzlich ernsthaft, ob man die Freizügigkeit nicht doch begrüssen sollte. Denn die Polaken, Zigeuner und was weiss ich, zahlen ja auch Sozialbeiträge, sofern sie hier tatsächlich arbeiten. Also könnten sie doch meinen Truck steuern, Stückgut schleudern und mir einen etwas verfrühten, aber äusserst angenehmen Lebensabend finanzieren!

Sei mir gegrüsst, liebe Krise!

Sonntag, 15. Februar 2009

Schleichende Konkurrenz


Eigentlich wollte ich diesen Sonntag über das Abstimmungsresultat von vergangener Woche und die verheerenden Folgen für die Trucker und die gesamte Schweiz lästern. Aber es wurde schon so viel darüber debattiert, dass eigentlich schon alles gesagt ist. Zudem leben wir in einer Demokratie und wenn sich 60 Prozent der Bevölkerung von der EU überrennen lassen will, dann bitte! Schade nur für die vernünftigen vierzig Prozent...

So werde ich nun über einen Stand lästern, mit dem ich mich selbst sehr identifiziere und von dem wir alle sehr abhängig sind. Ich betreibe also nun so etwas wie Nestbeschmutzung.

Die Rede ist von unseren Landwirten, welche die Schweiz mit wertvollen Nahrungsmitteln versorgen, unsere Landschaft pflegen, sieben Tage in der Woche hart arbeiten und täglich ähnlich früh aufstehen müssen wie Trucker. Auch werden Landwirte, ähnlich wie wir Trucker, von den verwöhnten und verweichlichten Städtern eher von oben herab betrachtet. Eine etwas resolute Person "flucht wie ein Lastwagenchauffeur" und eine unelegante Dame "läuft wie ein Bauer", so der Volksmund.

Dabei sind die Erträge in der Landwirtschaft eher gering, und um diese Lebensader zu erhalten, muss der Staat Subventionen ausschütten. Das Einkommen ist oft so gering, dass sich gewisse Landwirte zu einem kleinen, schwarzen Nebengeschäftlein genötigt sehen.

Da die Landwirte über PS-starke Zugmaschinen und Anhänger aller Art verfügen, bieten sich Gelegenheitstransporte geradezu an. Zumal Traktoren, welche maximal 30 KmH laufen, keine LSVA bezahlen müssen. Laufen sie schneller, würden sie theoretisch zahlungspflichtig und der Fahrer müsste die ARV (siehe auch Beitrag "Pausen und Ruhezeiten") erfüllen. Aber man benötigt für sie weder einen LKW-Führerschein noch sind sie mit einem Fahrtenschreiber bestückt. Ebenso wenig fallen sie unter das Nacht- und Sonntagsfahrverbot. Also im wahrsten Sinne des Wortes eine schleichende Konkurrenz.

Nun kann mir als Angestellter das ganze ja egal sein. Es sind eher die Transporteure, welche diese Art von Konkurrenz befürchten, und der ASTAG scheint sich dieses Problems auch bewusst zu sein.

Mich als Trucker interessiert das Wort "schleichend" viel eher. Denn wenn mir über dutzende von Kilometern hinter einem Traktor das Gesicht einschläft, ist es mir egal, ob dieser den eigenen Stallmist ausführt oder zu Dumpingpreisen Dachziegel zur Baustelle bringt. Ein beladener Anhängerzug beschleunigt so langsam, dass man einen Traktor auch auf offener Strasse selten überholen kann, während die wendigen PWs ebenfalls beeinträchtigt sind, weil sie vor dem Traktor zuerst noch den Anhängerzug überholen müssen.

Besonders berüchtigt sind die Bauern im Reusstal zwischen Bremgarten und Sins (wo garantiert täglich ein LKW unserer Spedition Opfer der schleichenden Konkurrenz wird und wo parallel zur Strasse wunderbare Feldwege existieren!) sowie jene im Seeland zwischen Lyss und Kerzers. Bei letzteren könnte man so etwas wie Verständnis aufbringen, befindet sich doch in Aarberg die Zuckerfabrik und die Bauern liefern dort zur Erntezeit ihre Zuckerrüben ab.

Interessant ist die Feststellung, dass Ausweichnischen von den meisten Bauern konsequent ignoriert werden, auch wenn sie kilometerlange Kolonnen hinter sich her ziehen. Hier mein Dank an alle Bauern, welche NICHT in diese Kategorie fallen! Ärgerlich ist hier nämlich die Tatsache, dass man als Trucker schon in der ersten Lektion lernt, dass man bei starken Steigungen (etwa im Brünigpass oder in der Rampe nach Engelberg) nachfolgende Fahrzeuge überholen lässt, sofern eine Nische vorhanden ist. Ein Trucker kann bei Nichtbeachten gar gebüsst werden. Aber offenbar gelten auch hier für Traktoren andere Bestimmungen.

Ich werde mein Stimmrecht auch in Zukunft jederzeit im Sinne der Landwirte wahrnehmen, unterstütze die schweizerische Landwirtschaft wo immer möglich und erfreue mich täglich an deren Produkten. In der Hoffnung, dass damit eine schleichende Konkurrenz unnötig wird und die Bauern mit ihren Traktoren nur noch in allernötigsten Fällen auf die Landstrasse müssen.

Sonntag, 8. Februar 2009

Ein Scheisstag


Wie in jedem Job gibt es auch beim Trucking hin und wieder einen Scheisstag. Da sich Trucker aber so einiges gewohnt sind, reicht ein mürrischer Magaziner noch nicht aus, um einem normalen Tag diesen Status zu verleihen. Für einen "Scheisstag" müssen noch etliche weitere Kriterien erfüllt werden.

Es ist stets hilfreich, wenn es sich dabei um einen Freitag handelt. Denn anders als unter der Woche ist an einem Freitag jede zeitliche Verzögerung höchst ärgerlich. Schliesslich will man schnellstmöglich heim, dem Lastwagen seine Wäsche und etwas Wellness gönnen, um anschliessend im gestreckten Galopp zur Familie oder (in meinem Fall) zur Bierzapfstelle zu brettern.

Mein letzter Freitag darf getrost als Paradebeispiel eines Scheisstages gelten:

Erster Ablad: Neuchâtel, Innenstadt - der Anhänger musste ausserhalb der Stadt abgestellt werden. Der Absender der Ladung hatte eine Pallette nicht korrekt geschrumpft, womit die Kisten auf der Pallette kippten. Dank der formschlüssigen Ladung entstand kein Schaden, aber jede einzelne Kiste musste von Hand abgeladen werden.

Zweiter Ablad: Lausanne. Zufahrt zur Rampe mit dem Anhänger nicht möglich, also abkuppeln und in der steilen Zufahrt zur Rampe deponieren (die Ware war glücklicherweise ohnehin im Motorwagen). Wegen des Gewichts des vollbeladenen Anhängers und dem nicht mehr ganz zeitgemässen Kupplungssystem liess sich aber der Bolzen in dieser Schräglage nicht öffnen. Also nach mehreren Versuchen wieder wegfahren und zuerst den Anhänger bei der nächsten Abladestelle (Le Mont sûr Lausanne) abladen. Zeitverlust über eine Stunde.

Auf dem Motorwagen war inzwischen genügend Platz, um ohne Anhänger weiter nach Genf zu fahren. Also konnte der Anhänger auf einem Autobahnparkplatz deponiert werden, womit man LSVA und nerven sparen kann. Doch das mit den Nerven funktionierte leider nicht: Beim Durchladen der zwei verbliebenen Palletten (schwere Brandschutztüren) sank die Hebebühne durch das Gewicht in die Tiefe und wurde nur noch vom Deichsel gestützt. Die einzige Rettung aus dieser misslichen Lage war das Rüberstapeln von Hand. Leider erlitten einige Türen Kratzschäden. Von diesem Augenblick an war ich sehr kreativ im Erfinden von Schimpfwörtern.

Die Magaziner von Planzer in Meyrin waren über meine Ankunft um 15.00 nicht sehr erfreut, was sie mir auch deutlich zu verstehen gaben. Nebst Unfreundlichkeiten aller Art dauerte es auch eine geschlagene halbe Stunde, bis sich doch noch ein Staplerfahrer erniedrigte, um mir die handgestapelten Türen abzuladen.

Es versteht sich von selbst, dass ich genau zur Rush-Hour wieder gegen Lausanne fuhr. Im Stau stehend, sah ich auf dem Parkplatz richtung Genf meinen Anhänger stehen. Das wäre ja schön und gut, aber ich sah auch den Stau auf dieser Spur im Bewusstsein, dass ich mich auch da durchkämpfen muss, um den Anhänger abzuholen. Stau hin, Stau zurück, und wieder Stau hin.

Doch nun kommt noch das Sahnehäubchen: Das Autobahnkreuz in Lausanne war gesperrt, irgend ein Trottel hatte einen Unfall verursacht. Der komplette Verkehr wurde nach Lausanne Süd umgeleitet. Also bei der nächsten Ausfahrt raus, um den Kreisel herum und wieder auf die Gegenspur, um von der anderen Seite auf das Autobahnkreuz zu gelangen. Da dies so ziemlich jeder Verkehrsteilnehmer wohl oder übel tun musste, dauerte alleine diese Aktion rund eine Stunde.

Ich kann nur hoffen, dass nicht irgend ein Amateur meine wütenden Gestikulationen filmte und auf YouTube veröffentlicht; das wäre mehr als nur peinlich. Und was ich dem Unfallverursacher noch heute von Herzen an den Hals wünsche, ist für eine Publikation denkbar ungeeignet.

Ich erreichte unsere Spedition um 21.00 und konnte den Scheisstag eine halbe Stunde später endlich mit einem Pint begiessen.

Im Bewusstsein, dass Scheisstage glücklicherweise sehr, sehr selten sind.

Sonntag, 1. Februar 2009

Der Maverick


Der Berufsverband der schweizer Trucker Les Routiers Suisses (http://www.routiers.ch/) bietet im Rahmen eines neuen Gesetzes diverse Weiterbildungskurse für Berufsfahrer an. Unter anderem auch einen Kurs mit dem Titel "Verhalten und Toleranz". Es handelt sich dabei um einen rein psychologischen Kurs, frei von technischen Details, Ruhezeitenverordnungen und dergleichen. Viel mehr geht es um den Umgang mit jenen Mitmenschen, mit denen man im Trucker-Alltag zu tun hat. Also Verkehrsteilnehmer, Magaziner, Staplerfahrer und andere Trucker.

Dank des hervorragenden Dozenten fand ich den Kurs spannend und unterhaltsam, vertrat aber in der nachfolgenden Diskussion die Ansicht, dass er für Trucker eher ungeeignet ist. Telefonistinnen, Verkäufer, Aussendienster und dergleichen hätten mehr davon. Ein Argument der Kursverantwortlichen war, dass sich etliche Trucker durch die stete Einsamkeit in der Kabine bereits so in ihre eigene Welt zurückgezogen hätten, dass sie kaum noch kommunikationsfähig seien und daher diesen Kurs dringend benötigten.

Hier stellt sich die klassische Frage nach dem Huhn oder dem Ei. Entsozialisiert sich ein Trucker, der von Montag bis Freitag in der Kabine lebt, oder hat er diesen Beruf gerade deshalb gewählt, weil er gerne alleine ist?

Bei mir trifft sicherlich letzteres zu. Es ist kaum von der Hand zu weisen, dass man in der Kabine seine Ruhe hat, sein eigener Chef ist und auf den stundenlangen Cruises auf der Autobahn bei Musik den eigenen Gedanken nachhängen kann. Bei meinem kurzen Ausflug in die Bürowelt bin ich ob des Kommunikationszwangs fast durchgedreht; Meeting da, Sitzung dort, Gespräch mit Kundin Frunz, E-Mail an Fritz vom Aussendienst, Antwortschreiben auf die Reklamation von Kunden Schnarwiler und zwischendurch stets wieder das hässliche Düdeln des Telefons, auf welches man sich mit dem standartisierten Sprüchlein melden muss. Und wenn's mal nicht geigt, sucht man das Gespräch, du, ich habe da ein Problem, könnten wir eine Lösung finden? Und Abends dann die Frage, was man denn nun den ganzen Tag für eine Wertschöpfung geschaffen hat.

Der Trucker ist eher ein Typ, der Probleme alleine löst, der keinen Big Brother braucht, der gerne ein Zigeuner ist (ich verwende dieses Wort hier ausnahmsweise im positiven Kontext) und wenn es mal harzt, dann fliegen die verbalen Fetzen und schon weiss jeder, woran er ist.

Die Amerikaner haben dafür eine Bezeichnung: Maverick. Wenn ich in meine Kindheit und Jugend zurückblende, muss ich mir eingestehen, dass ich stets ein Maverick war und viel Zeit mit mir alleine verbrachte. Nicht weil ich wenig Freunde hatte, sondern weil ich dies so wollte. Und will. Noch immer erfreue ich mich eines Single-Lebens, kann quasi den Klodeckel offen lassen, wenn es mir beliebt und komme Abends heim, wann ich will. Und wurde Trucker, um auch beruflich ein Maverick sein zu können.

Es dürfte vielen Kolleginnen und Kollegen ähnlich ergehen. So vermute ich, dass man den Kurs "Verhalten und Toleranz" zum einen wegen des Obligatoriums besucht, und zum anderen, weil er doch recht spannend und amüsant ist. Aber vermutlich kaum, weil man sich resozialisieren will.

Sonntag, 25. Januar 2009

Ausgeschlafen


Auf meinen Beitrag "Stossverkehr" von letzter Woche wurde ich gefragt, was denn ICH um diese Zeit mit dem Truck in der Zürcher Innenstadt verloren hätte. Eigentlich eine dumme Frage, denn erstens bleibt mir dank der zürcher Verkehrspolikit keine Alternative. Wenn ich von der Zentralschweiz nach Winterthur oder St. Gallen muss, kann ich gar nicht anders als durch diese dämliche Stadt zu eimern. Muss ich aber in Zürich und Umgebung liefern, muss ich zweitens genau zu Stosszeiten da rein, weil vorher noch keine Bude geöffnet hat.
Und warum brettern wir Trucker dennoch am liebsten morgens um fünf los? Immerhin bedeutet dies ja, dass mein Wecker seit Jahr und Tag um drei Uhr morgens losschnattert.

Vorab: Das Nachtfahrverbot in der Schweiz endet um fünf Uhr morgens und wir nützen diese Zeit aus diversen Gründen gerne aus. So können wir unser Ziel noch vor dem Stossverkehr erreichen, die Strassen sind noch leer und die Fahrt frei. Wenn wir eine Abladestelle bereits um sieben Uhr erreichen, sind die Chancen gross, dass wir noch freie Rampen vorfinden und keine langen Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Zudem finden sich zu den gegebenen Zeiten meist noch genügend Parkplätze für die vorgeschriebenen Ruhepausen. Ausserdem geniesse ich persönlich die Morgenstimmung: Der Kaffee und der Smalltalk mit Kollegen vor der Abfahrt, die Ruhe, der Sonnenaufgang.

Wie man dies auf Dauer erfolgreich bewerkstelligt, ist sehr individuell und jedermann/frau muss dafür seine eigenen Rezeptchen finden. Neben einer einigermassen guten Ernährung, vielen Hobbys und Sport helfen mir tägliche kleine Freuden, Rituale, welche sich Morgen für Morgen wiederholen. Wichtig ist mir allerdings primär genügend Schlaf. Unter der Woche ist Ausgang und Bier gestrichen, Nachtruhe herrscht meistens ab etwa 20.00.

Direkt nach dem Aufstehen wird frischer Kaffee aufgesetzt, der die Küche mit einem herrlichen Duft erfüllt. Bei der Reinigungsdusche verwende ich einen angenehmen Duft und schrubbe mich kräftig mit der Massagebürste ein. Die eiskalte Brause danach ist reine Gewohnheitssache und ein Hochgenuss! Man strotzt danach vor Tatendrang! Die täglich frische und wohlriechende Wäsche wurde am Heizkörper aufgewärmt und fühlt sich mollig bequem an. Auch die Rasur mit dem richtigen Gerät trägt zum angenehmen Start bei. Überhaupt stehe ich dazu, Männerpflege-Markenprodukte zu verwenden. Mit einer High-Recharge-Maske macht man sich in unserer Branche fast lächerlich, aber nur, weil einige Trucker deren Wirkung noch nicht herausgefunden haben. Das Leben ist auch zu kurz für billiges Rasierwasser; der Hauch eines Designer-Dufts zeugt zwar von einer gewissen Eitelkeit, deren Befriedigung mein Lebensgefühl aber positiv beeinflusst. Kerzenlicht verbreitet eine entspannte Atmosphäre und der herrliche Ausblick von meinem Balkon auf die nächtliche Stadt und den See stimmen mich positiv auf den Tag ein.
Die Planung des Tages nehme ich bei einem weiteren Kaffe vor, meistens bereits in der Spedition und gemeinsam mit meinen Kollegen. Da werden dann gleich auch Tipps ausgetauscht und das eine oder andere Witzchen gerissen. Die Kabine ist stets sauber, ordentlich und die richtige Duftnote sorgt dafür, dass man auch um diese unchristliche Zeit gerne einsteigt. Und nun wissen Sie auch, warum ich vom Aufwachen bis zum losfahren in der Spedition zwei Stunden benötige...

Und wenn ich im Truck übernachte? Nun, dann tue ich genau das oben beschriebene, nur eben dass ich den Kaffee nicht selbst aufsetzen muss, sondern dies dem Personal der Raststätte oder des Truck-Stops überlasse.

Irgendwann kommt das Weekend, an dem ich dem Wecker einen Maulkorb verpasse. Und mit Kumpels, Sport, Bier, Spa, Sauna, Schnupftabak und Völlerei die Vernunft über Bord schmeisse und das Leben nach Strich und Faden geniesse.

Samstag, 17. Januar 2009

Stossverkehr


Es ist erstaunlich, aber selbst ich als Trucker ertappe mich gelegentlich dabei, den Grünen einen Funken Recht zu geben. Insbesondere dann, wenn es um den motorisierten Arbeitsweg geht.
Wenn Sie in einem romantischen, abgelegenen Bündner Bergtal wohnen und in Chur arbeiten, dann wird jeder Verständnis haben, dass Sie mit dem Auto zur Arbeit fahren, auch wenn Sie einen Offroader steuern. Denn gerade im Winter hat der Vierradantrieb seine Vorteile.

Aber wenn Sie in Thalwil oder an der Goldküste wohnen und in der Stadt Zürich arbeiten, verbraten Sie wertvollen Brennstoff und Nerven für nichts und wieder nichts. Wenn ich das Pech habe, in der verkehrstechnisch onehin katastrophal organisierten Umgebung Zürich (oder auch Lausanne) zu arbeiten, erlebe ich einen Stossverkehr, der mich an Kairo oder Mumbay erinnert. Ausser dass man hier statt Rostlauben vorwiegend drängelnden und kravattierten Audi-Fahrern begegnet.

Interessant sind dabei zwei Beobachtungen. Zum einen riskieren diese Bürogummis Blech und Geld, nur um himmels Willen VOR dem LKW im Stau zu stehen, obschon man so keine Sekunde schneller ist. Dafür wird gedrängelt und ausgebremst, dass man schon befürchtet, die Kravatte hätte die Sauerstoffzufuhr ins Gehirn abgeklemmt. Zum anderen wechseln die Pendler auf einer doppelspurigen Strasse umgehend die Spur, sobald die eine etwas schneller rollt. Dass dies idiotisch ist (eine halbe Minute später rollt nämlich die andere Spur wieder schneller) und den Stau noch künstlich verlängert, gehört wohl definitiv nicht zum Lernstoff im KV.

Hier sei noch eine Frage erlaubt. Wieso steckt man selbst um neun Uhr Morgens noch immer im Stossverkehr? Hallo, müssten Sie da nicht schon längst im Büro sein, zumal ich Sie ja bereits um 17.00 auf der Gegenfahrspur wieder beobachte, wie Sie und Ihresgleichen den nächsten Stau verursachen?

Zurück zu den Grünen. Jeder sitzt bekanntlich allein in seinem Auto, welches aber eigentlich fünf Personen fassen würde (ausser dem Smart, den wir hier mal nicht als Auto bezeichnen wollen). Würde man konsequent Fahrgemeinschaften machen, wäre der Stossverkehr Geschichte. Auf den Strassen wären nur noch jene, die dies tatsächlich müssen: Trucks, Aussendienstler, Handwerker. Auf den Freeways in den USA gibt es Fahrspuren, die nur von Autos mit drei oder mehr Insassen benützt werden dürfen. Wäre doch ein Ansatz, oder?

Noch besser aber ist der ÖV. In keinem Staat der Welt ist dieser besser ausgebaut als in der Schweiz. Ich habe einige Jahre zwischen der Zentralschweiz und Zürich gependelt (und nehme noch heute in der Freizeit kaum einen Autoschlüssel in die Hand) und den ÖV trotz gelegentlichem Andrang sehr genossen. Stellen Sie sich vor: Der Feierabend beginnt direkt beim Ausgang Ihrer Bude. Sie fahren wohl noch stehend mit der S-Bahn von Hardbrücke in den HB, dann besteigen Sie den bequemen Interregio, öffnen Ihr Zweierli oder Ihr Bierchen, lesen ein gutes Buch und schlagen dies vor Ihrem Haus wieder zu. Kein Stau, kein Stress und kein Trucker, der in seinem Blog gegen pendelnde Kravattenständer wettert.

Sonntag, 11. Januar 2009

Eigentümliche Bauwerke


Welcher Volltrottel baut heute noch so etwas?
In der Region Bern/Oberaargau, direkt an der Autobahn, entstand vor gut zwei Jahren eine gigantische Shopping-Mall. Und wenn ich gigantisch sage, meine ich amerikanische Verhältnisse, mit tausenden von Parkplätzen und endlosen Einkaufsmöglichkeiten. Sämtliche grossen Möbelhäuser sind vertreten, ebenso Elektronik-Giganten, Haushaltgeräte, Heimwerker-Center, Warenhäuser und - jipiiee! - ein Erotik-Mart.

Die gewaltige Menge an Gütern, welche diese Geschäfte verlässt und in den Kofferräumen der Käufer verschwindet, muss auf der Rückseite der Gebäude, bei den Rampen, wieder nachgeschoben werden. Dass dies mittels Trucks geschieht, versteht sich von selbst. In der Eröffnungsphase der Mall durfte ich einem Grosshändler einen kompletten Anhängerzug (35 Palletten) mit Kühlschränken liefern.

Nun erfolgt die Zufahrt zur Rampe über die Kundenparkplätze, welche freilich in Stosszeiten komplett verstellt sind und man glaubt bei jedem Meter, den man sich vorkämpft, das hässliche, schrammende Kratzen von Autolack zu hören. Bei der Biegung um die Ecke wurde von einem besonders cleveren Kerlchen ein gelb-schwarz bemalter Stahlpfosten hingestellt, der wohl verhindern soll, dass Trucks falsch abbiegen. Er verhindert leider auch, dass die Bemalung der Trucks unversehrt bleibt, denn er steht so ungeschickt, dass ein Anhängerzug knapp, ein Sattelschlepper gar nicht daran vorbeikommt, ohne ihn zu touchieren.

Hinter dem Gebäude muss man den Zug rückwärts an die Rampe manövrieren, was angesichts der engen Bauweise schon Herausforderung genug ist. Hinzu kommt, dass der Fahrweg so schmal ist, dass man ihn mit der Lenkachse unweigerlich verlassen muss (beim Rückwärtsmanöver benotigt der Vorderteil des Trucks beidseitig genügend Manövrierplatz). Dies wurde angesichts der Grasnarben von den Verantwortlichen vorbildlich erkannt. Aber statt den Fahrweg zu verbreitern, wurden Granitblöcke verlegt, damit die Trucker sich die Reifen nicht mit Botanik beschmutzen müssen. Well done! Doch irgendwie gelangt man schliesslich doch noch an die Rampe. Happy-end? Denkste!

Als der arme Magaziner meinen Lieferschein sah, wandte er sich ab und weinte bitterlich (Bibelzitat). Sein Lager hatte in etwa die Dimension einer Einzimmerwohnung und bot niemals Platz für 35 Palletten, also 70 Kühlschränke. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als den ganzen Karsumpel direkt in die Verkaufshalle zu stellen. Dass versandfertig verpackte, in Schrumpfplastik eingehüllte Kühlschränke auf staubigen Palletten nicht gerade verkaufsfördernd aussehen, wurde dem Magaziner vom Filialleiter mit Nachdruck mitgeteilt. Allerdings ohne alternativem Lösungsvorschlag.

Vielerorts entstehen neue Kreisel. Über Kreisel wird in absehbarer Zeit noch ein separater Eintrag gepostet, aber vorab: Sie sind ein Segen für Trucker. Verfährt man sich oder muss aus einem anderen Grund wenden, kann man dies dank Kreisel ohne Retourgang und ohne Gefährdung von Passanten tun. Allerdings sind etwa 40% aller Kreisel innerorts zu eng für Trucks; beim Passieren gerät einem der Anhänger oder Auflieger unweigerlich in die Tulpen in der Mitte. Zumindest bei einem mir bekannten Kreisel wurden letztere nach mehrmaligem Flachlegen doch noch zugepflastert. Dasselbe gilt für die leidigen, so genannten Pförtner bei Ortseingängen, welche den Trucker zum Betätigen der Motorenbremse (Lärm!) und dem Runterschalten und neu Beschleunigen (Lärm und Emission) zwingen. Als Trucker sieht man beim Anblick eines solchen Verkehrshindernisses stets den Planer dieser Sünde vor dem geistigen Auge: Gepfählt inmitten seines schändlichen Werks, auf die Brust eine Tafel genagelt mit der leuchtroten Aufschrift: "Ich habe dieses Ding hier verbrochen; Schande über mein Haupt!" Und dass immer noch Brücken und Unterführungen gebaut werden, welche die Mindesthöhe von 4 Metern unterschreiten, entbehrt jeglichem gesunden Menschenverstand.

Architekten, Ingenieure und Bauführer gelten als sehr intelligente Menschen (wieso eigentlich?), welche anspruchsvolle Studien und Ausbildungen durchliefen. Physik, Statik, mitunter auch Ästhetik und dergleichen sind ihr täglich Brot. Ich fordere nun, in jedes einschlägige Studium ein Praktikum am Steuer eines Trucks einzuführen. Mit Dissertation!

Freitag, 2. Januar 2009

Pausen und Ruhezeiten



Die Arbeits- und Ruhezeitenverordnung (ARV) regelt auf gesetzlicher Basis die Arbeitszeiten der Trucker. Demnach muss nach maximal 4,5 Stunden Lenkzeit eine Pause eingelegt werden. Beträgt diese mehr als 45 Minuten, kann wieder 4.5 Stunden am Stück gefahren werden. Auch die tägliche Ruhezeit (man könnte es auch als Nachtruhe bezeichnen) ist genau geregelt.

Der Gesetzgeber will damit zwei Ziele erreichen: Der Trucker soll vor unmenschlichen Arbeitszeiten geschützt werden, und der Strassenverkehr vor übermüdeten Fahrern. Zu Recht, wenn man den geposteten Link (http://www.youtube.com/watch?v=GQccbq8VwyU) betrachtet: Die Filmaufnahme zeigt deutlich, was ein Truck anrichten kann, wenn der Fahrer in den Sekundenschlaf fällt. Der Unfall kostete fünf Menschenleben.

Bedingt durch Zeitdruck, Stalldrang und Ähnliches ist die Versuchung des Schummelns jeweils gross. Bei den herkömmlichen Fahrtenschreibern konnte beispielsweise mit zwei Einlageblättern gearbeitet werden. Bei einer Kontrolle behauptete man ganz einfach, zwei Fahrer hätten sich jeweils abgewechselt; der zweite sei aber bei der letzten Raststätte ausgestiegen. Etwas dümmlich und seitens der Rennleitung leicht überprüfbar. Ein weiterer Trick war die Büroklammer: Mit einer solchen konnte man, richtig im Gerät eingesetzt, die Schreibnadel blockieren, so dass sie auch bei einem rollenden Truck Ruhezeit schrieb. Sobald die Kontrollorgane aber die Lenkzeit mit den gefahrenen Kilometern verglichen, fiel ihnen unweigerlich auf, dass hier etwas nicht stimmen konnte.

Neue Trucks müssen nun mit digitalen Aufzeichnungsgeräten ausgerüstet sein, mit denen sich nicht mehr so leicht schummeln lässt. Eine Möglichkeit ist aber immer noch gegeben: Der Trucker kann während des Lade- oder Abladevorgangs manuell auf Ruhezeit schalten. So meint sowohl das Gerät als auch ein allfälliger Sheriff, es würde eine Pause gemacht, obwohl der Trucker an der Rampe schuftet wie ein Hunne.

Insbesondere bei Tagestouren ist dieser Trick beliebt, denn hier wird der Gesetzgeber "lediglich" um etwa 45 Minuten Kaffeepause geprellt. Jeder ausgeschlafene Trucker kann dies körperlich locker ertragen, und wenn der Magen knurrt, dann wird zumindest eine ausgiebige Mittagspause eingehalten. Jene, welche der ARV kritiklos gegenüber stehen und sie einfach nur geil finden, argumentieren, dass sich der Trucker mit dieser Methode selbst betrügt, weil er quasi während der Pause arbeitet und so dem Chef Zeit schenkt. Kann ja sein, aber das Gegenargument ist ebenfalls nicht ganz von der Hand zu weisen: Der Trucker ist umso früher zu Hause. Und dies wiederum bedeutet, dass er die verschenkte Zeit abends und dort wieder bekommt, wo der Erholungseffekt am Grössten ist: Zu Hause, bei Freunden und Familie. Es ist nämlich alles andere als erholsam, eine Zwangspause auf einer Raststätte abzusitzen und mit den Fingern auf die Theke trommelnd zu warten, bis die vorgeschriebene Zeit endlich abgelaufen ist.

Aber wie gesagt, dieses Argument hat nur bei Tagestouren eine gewisse Berechtigung. Am gefährlichsten sind nach wie vor jene Trucker, welche sich schon gar keine Mühe geben, ihr Fehlverhalten zu vertuschen und die dann auf der Nord-Süd-Achse mit 30 Stunden und mehr auf dem Buckel aus dem Verkehr gezogen werden. Wobei gemäss Presseberichten nicht selten noch einige Promille dazukommen.
Und an dieser Stelle gedenken wir noch jenen PW-Fahrern, welche insbesondere während den Sommerferien untermotorisiert und überladen ihren Bumscontainer (im Volksmund auch Wohnwagen genannt) mitsamt der Familie von Hamburg nach Rimini karren. Ohne Pause. Und dies von unseren Freunden und Helfern weitestgehend unbehelligt.