Donnerstag, 28. Oktober 2010

Bruchpilot oder Pech?

Kürzlich wurde in unserer Firma ein neuer, junger, frischausgebildeter Fahrer eingestellt. Es versteht sich von selbst, dass dieser noch nicht die Erfahrung eines alten Hasen hat und sich seine Sporen erst abverdienen muss. Will heissen, dass er zum Beispiel Abladestellen noch suchen muss, und dabei vom Navi in Sackgassen oder zu enge Strassen gelotst wird. Will auch heissen, dass er mit den Manövern an den Rampen noch nicht so gewandt ist, und will auch heissen, dass er von den Alteingesessenen noch etwas hämisch und kritisch beobachtet wird. Ich kenne das aus jüngeren Jahren und musste da auch durch, auch wenn ich persönlich den jungen Truckern lieber ein guter Götti bin als ein besserwissender Belehrer.
Nun hat dieser Junge dummerweise in seiner dritten Arbeitswoche beim Rangieren ein Vordach übersehen und dabei das Kühlgerät UND das Vordach komplett zerdrückt. Der Schaden beläuft sich auf eine fünfstellige Summe.
Am Kaffeeautomaten wurde ich dann Zeuge der Diskussion (selbstverständlich in Abwesenheit des bedauernswerten Truckers). Die Star-Chauffeure und ein Mechaniker enervierten sich über den entstandenen Schaden und Ausdrücke wie "Trottel", "Idiot" und "Bruchpilot" waren noch diplomatischer Natur.
Nun bin ich eher der Typ, der sich nicht einmischt und einfach zuhört. Aber in dieser Situation musste ich dennoch intervenieren. Hier meine Argumente:
Unsere Fahrzeuge überschreiten die Dimensionen eines Smart um einige Zentimeter, was ein Manövrieren leicht erschweren kann, gerade in engen Verhältnissen. Ferner muss ein Trucker gerade beim Rangieren mindestens fünf Punkte gleichzeitig im Auge behalten: Den Überhang des Hecks, das Ausschwenken der Schnauze, die Position des Anhängers/Aufliegers, die anderen Verkehrsteilnehmer und letztlich die baulichen Hindernisse, vor, hinter und über dem Truck. Und dies alles praktisch ausschliesslich über die diversen Rückspiegel.
Es gibt freilich in der Praxis Bruchpiloten, denen man nach einer bestimmten Zeit einen Job im Büro naheliegen sollte. Aber drei Wochen nach der Einstellung kann davon noch keine Rede sein, auch wenn der Schaden in die Tausender geht. Und man bringe mir einen Trucker, der noch nie einen Schaden produziert hat!
Und dem Mechaniker, der sich am Kaffeeautomaten fast am lautesten profilierte, erklärte ich, dass wir uns für ihn nach einem neuen Job umsehen müssten, wenn nie, aber auch gar nie ein Schaden entstünde.
Unser neuer Kollege bekam übrigens von den wirklich wichtigen Leuten in unserem Betrieb keinen Rüffel. Und ich wünsche ihm, dass er aus der Erfahrung lernt und nicht mehr Dellen macht als ich in meiner Anfängerzeit.

Dienstag, 13. Juli 2010

Auspendeln im Linienbus


Ab einem gewissen Alter kann es durchaus vorkommen, dass der Trucker die körperlichen Früchte seiner Arbeit erntet. Der Rücken macht einem zu schaffen, die Gelenke knarzen, durch das ständige Runterspringen von der zweiten Etage der Führerkabine oder von der Hebebühne entwickelt der Miniskusnerv ein nerviges Eigenleben und überhaupt, die Nerven. Etliche Trucker entschliessen sich aus diesen Gründen in den letzten Arbeitsjahren für einen Fahrerjob im Linienbus. Das soll ja vermeintlich ziemlich locker und cool abgehen in diesen Kisten. Tja, ein langjähriger Weggefährte von mir hat's probiert. Aber nicht lange, denn:

Fahrgäste steigen - speziell im Winter - grundsätzlich bei der vordersten Türe, direkt beim Fahrer ein. Schliesslich trampt ihnen dieser auch ständig ins Büro und sorgt für einen eiskalten Wintersturm am Arbeitsplatz.

Fahrgäste lösen die Fahrkarten grundsätzlich beim Fahrer, obwohl an fast jeder Haltestelle ein Billetautomat steht. Normalerweise wird noch mit einem ziemlich grossen Geldschein bezahlt, da man ja noch Kleingeld für den Zigarettenautomaten braucht. Gleichzeitig ärgern sich diese Idioten dann über die Verspätung.

Fahrgäste - insbesondere ältere und behinderte Semester - verwechseln den Fahrer mit dem Seelsorger und texten ihn mit all ihren Sörglein und Lebensgeschichten zu. Und wenn der Fahrer auf das Schild "Bitte nicht mit dem Chauffeur sprechen" verweist, werden sie entweder akut suizidgefährdet oder beschweren sich bei der Leitstelle über den unfreundlichen Fahrer.

Fahrgäste - insbesondere an Weekends - verkotzen den Bus, überlassen die ganze Sauerei dem Fahrer oder drohen ihm mit Prügel, wenn er es wagt, auch nur die kleinste Bemerkung zu machen.
Fahrgäste - insbesondere Jugentliche - lassen Gratiszeitungen liegen, zerkratzen Scheiben, verkleben Kaugummis und glänzen mit DER totalen Kommunikation. Beispiel männliche Jugentliche: "Ey, krass monn, ch'schwörs monn, dä het Mercedes monn, ch'schwörs, so krass monn!" Beispiel weibliche Jugentliche: "Dänn er so, dänn ich so, denn sie so, dänn er wieder so, dänn sie so, dänn ich so..."

Fahrgäste fahren schwarz. Damit ist nicht die Hautfarbe gemeint, aber ist ein ertappter Schwarzfahrer zufällig tatsächlich schwarz, wird der Fahrer, der ja schliesslich dann ein Billet verkaufen muss, als Rassist beschimpft. Und zwar nicht nur vom schwarzen Schwarzfahrer, sondern von weiteren zahlreichen Gutmenschen, die zufällig gerade hinter dem Fahrer sitzen.

AUDIdioten und BMWichser lassen den Bus grundsätzlich NIE aus der Nische rausfahren, obschon der von Gesetzes wegen Vortritt hätte, rechtzeitig den Blinker stellte und darüber hinaus noch Verspätung hat. Man hupt den Bus lieber an. Als Trucker durfte man diesen Ärschern noch den Stinkfinger zeigen. Aber die Omis hinten drin wären ob solch unchristlichem Verhalten derart schockiert, dass wiederum eine Beschwerde bei der Leitstelle eingehen würde.

Fazit: Als Linienbus-Fahrer schön die Schnauze halten, sich vollpinkeln, anscheissen, verarschen und selbst vom Vorgesetzten zum Idioten machen lassen, dann kann man als Alt-Trucker seine Dienstzeit im Linienbus auspendeln lassen.

Und ich werde meine Palletten auf der Brücke rumschippern bis zum bitteren Ende, und wenn ich dabei meinen Kopf unter dem Arm trage. Ich bin und bleibe ein Maverick und will mit den oben beschriebenen Idioten nix zu tun haben. Genau wie mein Kumpel; er ist zurück auf dem Bock und fährt wieder einen Truck.

Samstag, 3. Juli 2010

Trucking in den Staaten


Eigentlich heisst dieser Blog ja "Truckerleben in der Schweiz". Dennoch liess ich es mir nicht nehmen, einige Zeit in den Vereinigten Staaten das Truckerleben zu studieren. Und das hat's tatsächlich in sich!

Zunächst gilt der Trucker in den USA - im Gegensatz zu hiesigen Landen - noch was. Die Gesellschaft bringt dem Fernfahrer noch eine gewisse Wertschätzung entgegen und man ist sich der Professionalität und der präzisen Arbeit der Trucker bewusst. Dies beeinflusst direkt die Arbeitsbedingungen der Fahrer, aber auch die Gesetzgebung.

So ist es ennet dem Atlantik ziemlich egal, wie lange ein Zug ist. Dadurch können die Kabinen, notabene der Wohnraum des Truckers, sehr viel grosszügiger gestaltet werden als hier in Europa, wo jeder verlorene Lademeter barer Geldverlust bedeutet. Insbesondere die Solofahrer, welche oft mehrere Wochen unterwegs sind, wohnen ziemlich komfortabel in ihren Maschinen. Und man weiss das zu schätzen, wenn man in Cleveland Stahlelemente lädt und sie runter nach Key West karrt!

Auch die Gewichtsbeschränkungen sind um einiges cleverer gestaltet als in good old Europe. So wird das maximal erlaubte Gesamtgewicht eines Trucks anhand der Motorenkraft und der Anzahl Achsen berechnet. Eine Obergrenze (in Europa 40 Tonnen) gibt es folglich nicht; Grenzen werden allenfalls von der Motorenphysik gegeben. So sieht man in den Staaten sehr oft die so genannten "Double Trailers", ein grosser Sattelschlepper, der zusächlich am Auflieger noch einen Zweiachs-Anhänger mitschleppt.

Ein weiteres Phänomen ist die Logistik. Im Fernverkehr gibt es praktisch keine engen Rampen, der Retourgang im Truck ist oft reine Dekoration. In den meisten Grossbetrieben fährt der Truck in den Charge-Terminal rein, der Trucker wird in den Aufenthaltsraum verwiesen, wo er sich duschen und verpflegen kann, während die Arbeiter den Truck ab- oder beladen. Sobald sie mit der Arbeit fertig sind, wird der Trucker wieder gerufen, dieser überprüft die Ladungssicherung und die Papiere, und weiter geht die Reise - auf der anderen Seite aus dem Terminal raus.

Allerdings gibt es auch einen kleinen Vermuthstropfen: Es gibt eine deutliche Tendenz zur Vertragsfahrerei in den USA. Dies bedeutet, dass der Trucker seine Maschine dem Arbeitgeber abkaufen muss und auf eigene Rechnung fährt. Der Spediteur organisiert dem Trucker im Gegenzug die Finanzierung (Hypothekencrash lässt grüssen) und garantiert ihm über einen gewissen Zeitraum die Aufträge. Viele Trucker leben ganz gut damit; sie brauchen in der Regel ja keine Wohnung, da sie onehin im Truck wohnen. Die Preise für Food in den Truck-Stops sind sehr moderat und das Leben in den USA ist allgemein günstiger als in Europa. Allerdings hört man hin und wieder von Fahrern, die auf diese Weise pleite gehen und hochverschuldet im Strassengraben landen.

Ein spezielles Thema sind die Cops. Sie kontrollieren die Trucks genauso oft und streng wie hierzulande, was auch sinnvoll ist. Wenn Sie im Mietwagen kontrolliert werden, verlassen Sie die Karre auf keinen Fall! Hände am Lenkrad, den Ausweis auf dem Armaturenbrett und niemals in die Innentasche greifen, sonst schnuppern Sie Sekundenschell am Colt des Sheriffs! Anders bei Truck-Kontrollen. Der Trucker verlässt seinen Truck und der Cop steigt ein. Er hat gesetztlich freie Hand, die Kabine und die Ladebrücke komplett zu durchsuchen. Aber alles halb so wild: Wer mit den Cops freundlich umgeht und kooperiert, darf auf ausserordentliche Freundlichkeit und Korrektheit der Sheriffs zählen. Schikanen gibt es keine, womit wir wieder bei der Wertschätzung gegenüber Truckern sind. Ein kleines Detail am Rande: Es ist verboten, alkoholische Getränke in der Kabine mitzuführen. Dies erklärt, warum in vielen Trucks der Kühlschrank aussen an der Rückwand montiert ist...

Und dann das Feeling. Das Brummen eines Peterbuilt, die endlosen Strassen, die Landschaft, die Musik, die Kollegialschaft unter den Truckern, der immer noch allgegenwärtige CB-Funk - all dies macht das Truckerleben in den USA zu etwas ganz speziellem. Trotz Heimweh, Einsamkeit, Strassenstaub, Wüstenhitze, Winterstürme und Reifenpannen.

Tja, und nun hoffe ich auf die Greencard-Verlosung. Wenn es die Glücksfee nämlich gut meint mit mir, dürfen meine inzwischen ziemlich zahlreichen amerikanischen Freunde einen neuen Trucker in ihren Kreisen begrüssen. Fortsetzung folgt...