Freitag, 18. Dezember 2009

Das Eco-Drive-Programm


Wie ich in diesem Blog hin und wieder erwähnte, sind wir Berufsfahrer gesetztlich verpflichtet, eine gewisse Anzahl Weiterbildungen zu absolvieren, um die Genehmigung für gewerbliche Transporte (seien es nun Güter oder Personen) beibehalten zu können. Welche Weiterbildung der Trucker nun besucht, ist ihm selbst überlassen, sofern der Kurs vom ASTRA anerkannt ist.

Neulich hatte ich das Vergügen, an einem Eco-Drive-Kurs teilnehmen zu dürfen. Ich habe schon unzählige Weiterbildungskurse auf dem krummen Buckel und ich darf ruhigen Gewissens an dieser Stelle schriftlich festhalten: Noch nie hat mich ein Kurs derart beeindruckt und überzeugt wie eben besagtes Eco-Drive-Training.

Wieso? Nun, fangen wir mal ganz am Anfang an. Für was steht das "Eco"? Da es englisch geschrieben ist, könnte es sowohl für "Economic-Drive" als auch für "Ecologic-Drive" stehen. Vergessen Sie letzteres. Ökologisch fahren geht gar nicht. Selbst Hybride husten Abgase raus, und wenn sie gerade mit Elektrizität laufen, darf man sich getrost mal fragen, woher der gegenwärtige Saft eigentlich kommt. Aber alles halb so schlimm: Der Anteil des Strassenverkehrs am weltweiten CO2-Aussstoss beträgt gerade mal 0,4%. Um dieses ach so schreckliche Gas zu stoppen, müsste Moritz Leuenberger weltweit die Vulkane verbieten. Allerdings würde uns die dadurch gerettete Erde ziemlich schnell um die Ohren fliegen, weil dann die Überdruckventile des Erdinneren fehlen würden. Der nicht ganz glorreiche Moritz wird dies wohl auch aus einem anderen Grund nicht tun: Woraus lässt sich mehr politisches Kaptial - sprich handfeste Knete - schlagen als beim Bashing des Strassenverkehrs? Die Deppen Autofahrer und Fuhrhalter eignen sich über die Moralkeule CO2 immer wieder bestens als Milchkühe. (Für letztere könnte man doch auch eine Methan-Steuer erheben, oder? Man könnte sie doch Kuhfurzsteuer nennen, Moritz!)

Also geht's ums Ökonomische. Ehrlich gesagt, wir Trucker werden es nie schaffen, die Athmosphäre ultimativ zu vergiften. Aber die Ressourcen an fossilen Brennstoffen sind beschränkt und werden immer knapper. Und umso knapper die werden, umso höher schrauben die Kameltreiber die Ölpreise. Was der Weltwirtschaft immensen Schaden zufügen wird. Nun, auch dies wird nicht vermeidbar sein. Aber umso sparsamer wir mit dem Schnaps umgehen, umso mehr haben die Ingenieure Zeit, für unsere Folgegenerationen Antriebe zu erfinden, welche von Erdöl und damit von den Kameltreibern unabhängig sind. Sofern uns die Vulkane nicht vorher ersticken.

So. Nun zur Praxis. Wie spare ich Schnaps. Ganz einfach. Indem ich mir vorstelle, ein Velofahrer zu sein. Würde ein Velofahrer seine Muskelkraft vergeuden? Indem er bergab auch strampelt? Oder indem er volle Kanne auf die Kreuzung zubrettert, um dann im letzten Moment zu stoppen, Füsse auf den Boden, gucken, und wenn frei, wieder unter grossem Kraftaufwand lostreten? Von diesem Beispiel ausgenommen sind natürlich die Gummistrampelhöschen. Die brettern vollgas auf die Kreuzung, nein, ÜBER die Kreuzung. Der Andere guckt dann schon. Und die strampeln auch bergab. Aber die sind auch mit Doping zugenebelt. An anderer Stelle habe ich mal über diese Gilde geschrieben.

Nun haben Trucks und Busse noch einen entscheidenden Vorteil: Das Gewicht. Einmal auf Reisegeschwindigkeit beschleunigt, kann ich getrost Gas wegnehmen: Meine 40 Tonnen schieben mich meilenweit gratis! Die Energie, welche ich für die Beschleunigung aufwänden muss, steht in keinem Verhältnis zum Gewinn! Wenn ein Trucker vorausschaut, kann er bei einem Rotlicht, einem Kreisel, einem Bahnübergang oder einer Kreuzung so früh vom Gas weg, dass der Truck einige hundert Meter gratis an das Ereignis rollt. Geschickt mit dem Retarder umgegangen, wird nicht mal die Bremsscheibe angewetzt. Man kann das sogar auf den PKW übertragen. Wieso haben wir im Auto die Angewohnheit, bis zum Bremsvorgang an einer Kreuzung stur auf dem Gas zu bleiben? Wieso gucken wir nicht einfach ein bisschen weiter voraus und lassen das Auto dann rollen? Naja, weils halt nicht so lässig-sportlich tönt und aussieht.

So, und nun üben wir das mal. Wir stellen ein Glas Wasser auf die Mittelkonsole und fahren einen Parcours von 16 Kilometern, bergauf, bergab, Kreuzungen, Ampeln, ausserorts und innerorts. Kein Tropfen darf überschwappen. Und dann: Geschafft! Die Messgeräte zeigen einen stark reduzierten Schnapsverbrauch und das elektronische Pendel zeigt noch einen weiteren, fast ungeahnten Vorteil auf: Die Kotz-Quote in einem Bus wäre auf praktisch null gesunken, weil die Fahrweise nahezu frei von Lastwechseln, Brems- und Beschleunigungskräften war. Und nun staune man: Die erste Runde fährt man im Kurs so, wie man es immer tat. Die zweite Runde nach allen Regeln der Kunst und eben mit dem ominösen Glas Wasser. Die zweite Runde dauerte in meinem Fall gerade mal 35 Sekunden länger!!! Wieviele Stress-Kilojoule ich dabei eingespart habe, konnte leider nicht auch noch gemessen werden, aber auch dieser Faktor dürfte - auf einen ganzen Arbeitstag hochgerechnet - immens sein. Daher: Free Eco-Drive-Training für jeden PW-Fahrer!
Anhang: Der Eco-Drive-Kurs für Trucker beinhaltet - je nach Anbieter - zusätzlich zahlreiche technische Details wie etwa die Funktionsweise des Wandlers in Automatik-Getrieben, das Ad-Blue-System bei Euro5 Aggregaten etc.