Dienstag, 13. Juli 2010

Auspendeln im Linienbus


Ab einem gewissen Alter kann es durchaus vorkommen, dass der Trucker die körperlichen Früchte seiner Arbeit erntet. Der Rücken macht einem zu schaffen, die Gelenke knarzen, durch das ständige Runterspringen von der zweiten Etage der Führerkabine oder von der Hebebühne entwickelt der Miniskusnerv ein nerviges Eigenleben und überhaupt, die Nerven. Etliche Trucker entschliessen sich aus diesen Gründen in den letzten Arbeitsjahren für einen Fahrerjob im Linienbus. Das soll ja vermeintlich ziemlich locker und cool abgehen in diesen Kisten. Tja, ein langjähriger Weggefährte von mir hat's probiert. Aber nicht lange, denn:

Fahrgäste steigen - speziell im Winter - grundsätzlich bei der vordersten Türe, direkt beim Fahrer ein. Schliesslich trampt ihnen dieser auch ständig ins Büro und sorgt für einen eiskalten Wintersturm am Arbeitsplatz.

Fahrgäste lösen die Fahrkarten grundsätzlich beim Fahrer, obwohl an fast jeder Haltestelle ein Billetautomat steht. Normalerweise wird noch mit einem ziemlich grossen Geldschein bezahlt, da man ja noch Kleingeld für den Zigarettenautomaten braucht. Gleichzeitig ärgern sich diese Idioten dann über die Verspätung.

Fahrgäste - insbesondere ältere und behinderte Semester - verwechseln den Fahrer mit dem Seelsorger und texten ihn mit all ihren Sörglein und Lebensgeschichten zu. Und wenn der Fahrer auf das Schild "Bitte nicht mit dem Chauffeur sprechen" verweist, werden sie entweder akut suizidgefährdet oder beschweren sich bei der Leitstelle über den unfreundlichen Fahrer.

Fahrgäste - insbesondere an Weekends - verkotzen den Bus, überlassen die ganze Sauerei dem Fahrer oder drohen ihm mit Prügel, wenn er es wagt, auch nur die kleinste Bemerkung zu machen.
Fahrgäste - insbesondere Jugentliche - lassen Gratiszeitungen liegen, zerkratzen Scheiben, verkleben Kaugummis und glänzen mit DER totalen Kommunikation. Beispiel männliche Jugentliche: "Ey, krass monn, ch'schwörs monn, dä het Mercedes monn, ch'schwörs, so krass monn!" Beispiel weibliche Jugentliche: "Dänn er so, dänn ich so, denn sie so, dänn er wieder so, dänn sie so, dänn ich so..."

Fahrgäste fahren schwarz. Damit ist nicht die Hautfarbe gemeint, aber ist ein ertappter Schwarzfahrer zufällig tatsächlich schwarz, wird der Fahrer, der ja schliesslich dann ein Billet verkaufen muss, als Rassist beschimpft. Und zwar nicht nur vom schwarzen Schwarzfahrer, sondern von weiteren zahlreichen Gutmenschen, die zufällig gerade hinter dem Fahrer sitzen.

AUDIdioten und BMWichser lassen den Bus grundsätzlich NIE aus der Nische rausfahren, obschon der von Gesetzes wegen Vortritt hätte, rechtzeitig den Blinker stellte und darüber hinaus noch Verspätung hat. Man hupt den Bus lieber an. Als Trucker durfte man diesen Ärschern noch den Stinkfinger zeigen. Aber die Omis hinten drin wären ob solch unchristlichem Verhalten derart schockiert, dass wiederum eine Beschwerde bei der Leitstelle eingehen würde.

Fazit: Als Linienbus-Fahrer schön die Schnauze halten, sich vollpinkeln, anscheissen, verarschen und selbst vom Vorgesetzten zum Idioten machen lassen, dann kann man als Alt-Trucker seine Dienstzeit im Linienbus auspendeln lassen.

Und ich werde meine Palletten auf der Brücke rumschippern bis zum bitteren Ende, und wenn ich dabei meinen Kopf unter dem Arm trage. Ich bin und bleibe ein Maverick und will mit den oben beschriebenen Idioten nix zu tun haben. Genau wie mein Kumpel; er ist zurück auf dem Bock und fährt wieder einen Truck.