Samstag, 3. Juli 2010

Trucking in den Staaten


Eigentlich heisst dieser Blog ja "Truckerleben in der Schweiz". Dennoch liess ich es mir nicht nehmen, einige Zeit in den Vereinigten Staaten das Truckerleben zu studieren. Und das hat's tatsächlich in sich!

Zunächst gilt der Trucker in den USA - im Gegensatz zu hiesigen Landen - noch was. Die Gesellschaft bringt dem Fernfahrer noch eine gewisse Wertschätzung entgegen und man ist sich der Professionalität und der präzisen Arbeit der Trucker bewusst. Dies beeinflusst direkt die Arbeitsbedingungen der Fahrer, aber auch die Gesetzgebung.

So ist es ennet dem Atlantik ziemlich egal, wie lange ein Zug ist. Dadurch können die Kabinen, notabene der Wohnraum des Truckers, sehr viel grosszügiger gestaltet werden als hier in Europa, wo jeder verlorene Lademeter barer Geldverlust bedeutet. Insbesondere die Solofahrer, welche oft mehrere Wochen unterwegs sind, wohnen ziemlich komfortabel in ihren Maschinen. Und man weiss das zu schätzen, wenn man in Cleveland Stahlelemente lädt und sie runter nach Key West karrt!

Auch die Gewichtsbeschränkungen sind um einiges cleverer gestaltet als in good old Europe. So wird das maximal erlaubte Gesamtgewicht eines Trucks anhand der Motorenkraft und der Anzahl Achsen berechnet. Eine Obergrenze (in Europa 40 Tonnen) gibt es folglich nicht; Grenzen werden allenfalls von der Motorenphysik gegeben. So sieht man in den Staaten sehr oft die so genannten "Double Trailers", ein grosser Sattelschlepper, der zusächlich am Auflieger noch einen Zweiachs-Anhänger mitschleppt.

Ein weiteres Phänomen ist die Logistik. Im Fernverkehr gibt es praktisch keine engen Rampen, der Retourgang im Truck ist oft reine Dekoration. In den meisten Grossbetrieben fährt der Truck in den Charge-Terminal rein, der Trucker wird in den Aufenthaltsraum verwiesen, wo er sich duschen und verpflegen kann, während die Arbeiter den Truck ab- oder beladen. Sobald sie mit der Arbeit fertig sind, wird der Trucker wieder gerufen, dieser überprüft die Ladungssicherung und die Papiere, und weiter geht die Reise - auf der anderen Seite aus dem Terminal raus.

Allerdings gibt es auch einen kleinen Vermuthstropfen: Es gibt eine deutliche Tendenz zur Vertragsfahrerei in den USA. Dies bedeutet, dass der Trucker seine Maschine dem Arbeitgeber abkaufen muss und auf eigene Rechnung fährt. Der Spediteur organisiert dem Trucker im Gegenzug die Finanzierung (Hypothekencrash lässt grüssen) und garantiert ihm über einen gewissen Zeitraum die Aufträge. Viele Trucker leben ganz gut damit; sie brauchen in der Regel ja keine Wohnung, da sie onehin im Truck wohnen. Die Preise für Food in den Truck-Stops sind sehr moderat und das Leben in den USA ist allgemein günstiger als in Europa. Allerdings hört man hin und wieder von Fahrern, die auf diese Weise pleite gehen und hochverschuldet im Strassengraben landen.

Ein spezielles Thema sind die Cops. Sie kontrollieren die Trucks genauso oft und streng wie hierzulande, was auch sinnvoll ist. Wenn Sie im Mietwagen kontrolliert werden, verlassen Sie die Karre auf keinen Fall! Hände am Lenkrad, den Ausweis auf dem Armaturenbrett und niemals in die Innentasche greifen, sonst schnuppern Sie Sekundenschell am Colt des Sheriffs! Anders bei Truck-Kontrollen. Der Trucker verlässt seinen Truck und der Cop steigt ein. Er hat gesetztlich freie Hand, die Kabine und die Ladebrücke komplett zu durchsuchen. Aber alles halb so wild: Wer mit den Cops freundlich umgeht und kooperiert, darf auf ausserordentliche Freundlichkeit und Korrektheit der Sheriffs zählen. Schikanen gibt es keine, womit wir wieder bei der Wertschätzung gegenüber Truckern sind. Ein kleines Detail am Rande: Es ist verboten, alkoholische Getränke in der Kabine mitzuführen. Dies erklärt, warum in vielen Trucks der Kühlschrank aussen an der Rückwand montiert ist...

Und dann das Feeling. Das Brummen eines Peterbuilt, die endlosen Strassen, die Landschaft, die Musik, die Kollegialschaft unter den Truckern, der immer noch allgegenwärtige CB-Funk - all dies macht das Truckerleben in den USA zu etwas ganz speziellem. Trotz Heimweh, Einsamkeit, Strassenstaub, Wüstenhitze, Winterstürme und Reifenpannen.

Tja, und nun hoffe ich auf die Greencard-Verlosung. Wenn es die Glücksfee nämlich gut meint mit mir, dürfen meine inzwischen ziemlich zahlreichen amerikanischen Freunde einen neuen Trucker in ihren Kreisen begrüssen. Fortsetzung folgt...