Sonntag, 11. Januar 2009

Eigentümliche Bauwerke


Welcher Volltrottel baut heute noch so etwas?
In der Region Bern/Oberaargau, direkt an der Autobahn, entstand vor gut zwei Jahren eine gigantische Shopping-Mall. Und wenn ich gigantisch sage, meine ich amerikanische Verhältnisse, mit tausenden von Parkplätzen und endlosen Einkaufsmöglichkeiten. Sämtliche grossen Möbelhäuser sind vertreten, ebenso Elektronik-Giganten, Haushaltgeräte, Heimwerker-Center, Warenhäuser und - jipiiee! - ein Erotik-Mart.

Die gewaltige Menge an Gütern, welche diese Geschäfte verlässt und in den Kofferräumen der Käufer verschwindet, muss auf der Rückseite der Gebäude, bei den Rampen, wieder nachgeschoben werden. Dass dies mittels Trucks geschieht, versteht sich von selbst. In der Eröffnungsphase der Mall durfte ich einem Grosshändler einen kompletten Anhängerzug (35 Palletten) mit Kühlschränken liefern.

Nun erfolgt die Zufahrt zur Rampe über die Kundenparkplätze, welche freilich in Stosszeiten komplett verstellt sind und man glaubt bei jedem Meter, den man sich vorkämpft, das hässliche, schrammende Kratzen von Autolack zu hören. Bei der Biegung um die Ecke wurde von einem besonders cleveren Kerlchen ein gelb-schwarz bemalter Stahlpfosten hingestellt, der wohl verhindern soll, dass Trucks falsch abbiegen. Er verhindert leider auch, dass die Bemalung der Trucks unversehrt bleibt, denn er steht so ungeschickt, dass ein Anhängerzug knapp, ein Sattelschlepper gar nicht daran vorbeikommt, ohne ihn zu touchieren.

Hinter dem Gebäude muss man den Zug rückwärts an die Rampe manövrieren, was angesichts der engen Bauweise schon Herausforderung genug ist. Hinzu kommt, dass der Fahrweg so schmal ist, dass man ihn mit der Lenkachse unweigerlich verlassen muss (beim Rückwärtsmanöver benotigt der Vorderteil des Trucks beidseitig genügend Manövrierplatz). Dies wurde angesichts der Grasnarben von den Verantwortlichen vorbildlich erkannt. Aber statt den Fahrweg zu verbreitern, wurden Granitblöcke verlegt, damit die Trucker sich die Reifen nicht mit Botanik beschmutzen müssen. Well done! Doch irgendwie gelangt man schliesslich doch noch an die Rampe. Happy-end? Denkste!

Als der arme Magaziner meinen Lieferschein sah, wandte er sich ab und weinte bitterlich (Bibelzitat). Sein Lager hatte in etwa die Dimension einer Einzimmerwohnung und bot niemals Platz für 35 Palletten, also 70 Kühlschränke. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als den ganzen Karsumpel direkt in die Verkaufshalle zu stellen. Dass versandfertig verpackte, in Schrumpfplastik eingehüllte Kühlschränke auf staubigen Palletten nicht gerade verkaufsfördernd aussehen, wurde dem Magaziner vom Filialleiter mit Nachdruck mitgeteilt. Allerdings ohne alternativem Lösungsvorschlag.

Vielerorts entstehen neue Kreisel. Über Kreisel wird in absehbarer Zeit noch ein separater Eintrag gepostet, aber vorab: Sie sind ein Segen für Trucker. Verfährt man sich oder muss aus einem anderen Grund wenden, kann man dies dank Kreisel ohne Retourgang und ohne Gefährdung von Passanten tun. Allerdings sind etwa 40% aller Kreisel innerorts zu eng für Trucks; beim Passieren gerät einem der Anhänger oder Auflieger unweigerlich in die Tulpen in der Mitte. Zumindest bei einem mir bekannten Kreisel wurden letztere nach mehrmaligem Flachlegen doch noch zugepflastert. Dasselbe gilt für die leidigen, so genannten Pförtner bei Ortseingängen, welche den Trucker zum Betätigen der Motorenbremse (Lärm!) und dem Runterschalten und neu Beschleunigen (Lärm und Emission) zwingen. Als Trucker sieht man beim Anblick eines solchen Verkehrshindernisses stets den Planer dieser Sünde vor dem geistigen Auge: Gepfählt inmitten seines schändlichen Werks, auf die Brust eine Tafel genagelt mit der leuchtroten Aufschrift: "Ich habe dieses Ding hier verbrochen; Schande über mein Haupt!" Und dass immer noch Brücken und Unterführungen gebaut werden, welche die Mindesthöhe von 4 Metern unterschreiten, entbehrt jeglichem gesunden Menschenverstand.

Architekten, Ingenieure und Bauführer gelten als sehr intelligente Menschen (wieso eigentlich?), welche anspruchsvolle Studien und Ausbildungen durchliefen. Physik, Statik, mitunter auch Ästhetik und dergleichen sind ihr täglich Brot. Ich fordere nun, in jedes einschlägige Studium ein Praktikum am Steuer eines Trucks einzuführen. Mit Dissertation!