Sonntag, 25. Januar 2009

Ausgeschlafen


Auf meinen Beitrag "Stossverkehr" von letzter Woche wurde ich gefragt, was denn ICH um diese Zeit mit dem Truck in der Zürcher Innenstadt verloren hätte. Eigentlich eine dumme Frage, denn erstens bleibt mir dank der zürcher Verkehrspolikit keine Alternative. Wenn ich von der Zentralschweiz nach Winterthur oder St. Gallen muss, kann ich gar nicht anders als durch diese dämliche Stadt zu eimern. Muss ich aber in Zürich und Umgebung liefern, muss ich zweitens genau zu Stosszeiten da rein, weil vorher noch keine Bude geöffnet hat.
Und warum brettern wir Trucker dennoch am liebsten morgens um fünf los? Immerhin bedeutet dies ja, dass mein Wecker seit Jahr und Tag um drei Uhr morgens losschnattert.

Vorab: Das Nachtfahrverbot in der Schweiz endet um fünf Uhr morgens und wir nützen diese Zeit aus diversen Gründen gerne aus. So können wir unser Ziel noch vor dem Stossverkehr erreichen, die Strassen sind noch leer und die Fahrt frei. Wenn wir eine Abladestelle bereits um sieben Uhr erreichen, sind die Chancen gross, dass wir noch freie Rampen vorfinden und keine langen Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Zudem finden sich zu den gegebenen Zeiten meist noch genügend Parkplätze für die vorgeschriebenen Ruhepausen. Ausserdem geniesse ich persönlich die Morgenstimmung: Der Kaffee und der Smalltalk mit Kollegen vor der Abfahrt, die Ruhe, der Sonnenaufgang.

Wie man dies auf Dauer erfolgreich bewerkstelligt, ist sehr individuell und jedermann/frau muss dafür seine eigenen Rezeptchen finden. Neben einer einigermassen guten Ernährung, vielen Hobbys und Sport helfen mir tägliche kleine Freuden, Rituale, welche sich Morgen für Morgen wiederholen. Wichtig ist mir allerdings primär genügend Schlaf. Unter der Woche ist Ausgang und Bier gestrichen, Nachtruhe herrscht meistens ab etwa 20.00.

Direkt nach dem Aufstehen wird frischer Kaffee aufgesetzt, der die Küche mit einem herrlichen Duft erfüllt. Bei der Reinigungsdusche verwende ich einen angenehmen Duft und schrubbe mich kräftig mit der Massagebürste ein. Die eiskalte Brause danach ist reine Gewohnheitssache und ein Hochgenuss! Man strotzt danach vor Tatendrang! Die täglich frische und wohlriechende Wäsche wurde am Heizkörper aufgewärmt und fühlt sich mollig bequem an. Auch die Rasur mit dem richtigen Gerät trägt zum angenehmen Start bei. Überhaupt stehe ich dazu, Männerpflege-Markenprodukte zu verwenden. Mit einer High-Recharge-Maske macht man sich in unserer Branche fast lächerlich, aber nur, weil einige Trucker deren Wirkung noch nicht herausgefunden haben. Das Leben ist auch zu kurz für billiges Rasierwasser; der Hauch eines Designer-Dufts zeugt zwar von einer gewissen Eitelkeit, deren Befriedigung mein Lebensgefühl aber positiv beeinflusst. Kerzenlicht verbreitet eine entspannte Atmosphäre und der herrliche Ausblick von meinem Balkon auf die nächtliche Stadt und den See stimmen mich positiv auf den Tag ein.
Die Planung des Tages nehme ich bei einem weiteren Kaffe vor, meistens bereits in der Spedition und gemeinsam mit meinen Kollegen. Da werden dann gleich auch Tipps ausgetauscht und das eine oder andere Witzchen gerissen. Die Kabine ist stets sauber, ordentlich und die richtige Duftnote sorgt dafür, dass man auch um diese unchristliche Zeit gerne einsteigt. Und nun wissen Sie auch, warum ich vom Aufwachen bis zum losfahren in der Spedition zwei Stunden benötige...

Und wenn ich im Truck übernachte? Nun, dann tue ich genau das oben beschriebene, nur eben dass ich den Kaffee nicht selbst aufsetzen muss, sondern dies dem Personal der Raststätte oder des Truck-Stops überlasse.

Irgendwann kommt das Weekend, an dem ich dem Wecker einen Maulkorb verpasse. Und mit Kumpels, Sport, Bier, Spa, Sauna, Schnupftabak und Völlerei die Vernunft über Bord schmeisse und das Leben nach Strich und Faden geniesse.