Sonntag, 8. Februar 2009

Ein Scheisstag


Wie in jedem Job gibt es auch beim Trucking hin und wieder einen Scheisstag. Da sich Trucker aber so einiges gewohnt sind, reicht ein mürrischer Magaziner noch nicht aus, um einem normalen Tag diesen Status zu verleihen. Für einen "Scheisstag" müssen noch etliche weitere Kriterien erfüllt werden.

Es ist stets hilfreich, wenn es sich dabei um einen Freitag handelt. Denn anders als unter der Woche ist an einem Freitag jede zeitliche Verzögerung höchst ärgerlich. Schliesslich will man schnellstmöglich heim, dem Lastwagen seine Wäsche und etwas Wellness gönnen, um anschliessend im gestreckten Galopp zur Familie oder (in meinem Fall) zur Bierzapfstelle zu brettern.

Mein letzter Freitag darf getrost als Paradebeispiel eines Scheisstages gelten:

Erster Ablad: Neuchâtel, Innenstadt - der Anhänger musste ausserhalb der Stadt abgestellt werden. Der Absender der Ladung hatte eine Pallette nicht korrekt geschrumpft, womit die Kisten auf der Pallette kippten. Dank der formschlüssigen Ladung entstand kein Schaden, aber jede einzelne Kiste musste von Hand abgeladen werden.

Zweiter Ablad: Lausanne. Zufahrt zur Rampe mit dem Anhänger nicht möglich, also abkuppeln und in der steilen Zufahrt zur Rampe deponieren (die Ware war glücklicherweise ohnehin im Motorwagen). Wegen des Gewichts des vollbeladenen Anhängers und dem nicht mehr ganz zeitgemässen Kupplungssystem liess sich aber der Bolzen in dieser Schräglage nicht öffnen. Also nach mehreren Versuchen wieder wegfahren und zuerst den Anhänger bei der nächsten Abladestelle (Le Mont sûr Lausanne) abladen. Zeitverlust über eine Stunde.

Auf dem Motorwagen war inzwischen genügend Platz, um ohne Anhänger weiter nach Genf zu fahren. Also konnte der Anhänger auf einem Autobahnparkplatz deponiert werden, womit man LSVA und nerven sparen kann. Doch das mit den Nerven funktionierte leider nicht: Beim Durchladen der zwei verbliebenen Palletten (schwere Brandschutztüren) sank die Hebebühne durch das Gewicht in die Tiefe und wurde nur noch vom Deichsel gestützt. Die einzige Rettung aus dieser misslichen Lage war das Rüberstapeln von Hand. Leider erlitten einige Türen Kratzschäden. Von diesem Augenblick an war ich sehr kreativ im Erfinden von Schimpfwörtern.

Die Magaziner von Planzer in Meyrin waren über meine Ankunft um 15.00 nicht sehr erfreut, was sie mir auch deutlich zu verstehen gaben. Nebst Unfreundlichkeiten aller Art dauerte es auch eine geschlagene halbe Stunde, bis sich doch noch ein Staplerfahrer erniedrigte, um mir die handgestapelten Türen abzuladen.

Es versteht sich von selbst, dass ich genau zur Rush-Hour wieder gegen Lausanne fuhr. Im Stau stehend, sah ich auf dem Parkplatz richtung Genf meinen Anhänger stehen. Das wäre ja schön und gut, aber ich sah auch den Stau auf dieser Spur im Bewusstsein, dass ich mich auch da durchkämpfen muss, um den Anhänger abzuholen. Stau hin, Stau zurück, und wieder Stau hin.

Doch nun kommt noch das Sahnehäubchen: Das Autobahnkreuz in Lausanne war gesperrt, irgend ein Trottel hatte einen Unfall verursacht. Der komplette Verkehr wurde nach Lausanne Süd umgeleitet. Also bei der nächsten Ausfahrt raus, um den Kreisel herum und wieder auf die Gegenspur, um von der anderen Seite auf das Autobahnkreuz zu gelangen. Da dies so ziemlich jeder Verkehrsteilnehmer wohl oder übel tun musste, dauerte alleine diese Aktion rund eine Stunde.

Ich kann nur hoffen, dass nicht irgend ein Amateur meine wütenden Gestikulationen filmte und auf YouTube veröffentlicht; das wäre mehr als nur peinlich. Und was ich dem Unfallverursacher noch heute von Herzen an den Hals wünsche, ist für eine Publikation denkbar ungeeignet.

Ich erreichte unsere Spedition um 21.00 und konnte den Scheisstag eine halbe Stunde später endlich mit einem Pint begiessen.

Im Bewusstsein, dass Scheisstage glücklicherweise sehr, sehr selten sind.