Sonntag, 15. Februar 2009

Schleichende Konkurrenz


Eigentlich wollte ich diesen Sonntag über das Abstimmungsresultat von vergangener Woche und die verheerenden Folgen für die Trucker und die gesamte Schweiz lästern. Aber es wurde schon so viel darüber debattiert, dass eigentlich schon alles gesagt ist. Zudem leben wir in einer Demokratie und wenn sich 60 Prozent der Bevölkerung von der EU überrennen lassen will, dann bitte! Schade nur für die vernünftigen vierzig Prozent...

So werde ich nun über einen Stand lästern, mit dem ich mich selbst sehr identifiziere und von dem wir alle sehr abhängig sind. Ich betreibe also nun so etwas wie Nestbeschmutzung.

Die Rede ist von unseren Landwirten, welche die Schweiz mit wertvollen Nahrungsmitteln versorgen, unsere Landschaft pflegen, sieben Tage in der Woche hart arbeiten und täglich ähnlich früh aufstehen müssen wie Trucker. Auch werden Landwirte, ähnlich wie wir Trucker, von den verwöhnten und verweichlichten Städtern eher von oben herab betrachtet. Eine etwas resolute Person "flucht wie ein Lastwagenchauffeur" und eine unelegante Dame "läuft wie ein Bauer", so der Volksmund.

Dabei sind die Erträge in der Landwirtschaft eher gering, und um diese Lebensader zu erhalten, muss der Staat Subventionen ausschütten. Das Einkommen ist oft so gering, dass sich gewisse Landwirte zu einem kleinen, schwarzen Nebengeschäftlein genötigt sehen.

Da die Landwirte über PS-starke Zugmaschinen und Anhänger aller Art verfügen, bieten sich Gelegenheitstransporte geradezu an. Zumal Traktoren, welche maximal 30 KmH laufen, keine LSVA bezahlen müssen. Laufen sie schneller, würden sie theoretisch zahlungspflichtig und der Fahrer müsste die ARV (siehe auch Beitrag "Pausen und Ruhezeiten") erfüllen. Aber man benötigt für sie weder einen LKW-Führerschein noch sind sie mit einem Fahrtenschreiber bestückt. Ebenso wenig fallen sie unter das Nacht- und Sonntagsfahrverbot. Also im wahrsten Sinne des Wortes eine schleichende Konkurrenz.

Nun kann mir als Angestellter das ganze ja egal sein. Es sind eher die Transporteure, welche diese Art von Konkurrenz befürchten, und der ASTAG scheint sich dieses Problems auch bewusst zu sein.

Mich als Trucker interessiert das Wort "schleichend" viel eher. Denn wenn mir über dutzende von Kilometern hinter einem Traktor das Gesicht einschläft, ist es mir egal, ob dieser den eigenen Stallmist ausführt oder zu Dumpingpreisen Dachziegel zur Baustelle bringt. Ein beladener Anhängerzug beschleunigt so langsam, dass man einen Traktor auch auf offener Strasse selten überholen kann, während die wendigen PWs ebenfalls beeinträchtigt sind, weil sie vor dem Traktor zuerst noch den Anhängerzug überholen müssen.

Besonders berüchtigt sind die Bauern im Reusstal zwischen Bremgarten und Sins (wo garantiert täglich ein LKW unserer Spedition Opfer der schleichenden Konkurrenz wird und wo parallel zur Strasse wunderbare Feldwege existieren!) sowie jene im Seeland zwischen Lyss und Kerzers. Bei letzteren könnte man so etwas wie Verständnis aufbringen, befindet sich doch in Aarberg die Zuckerfabrik und die Bauern liefern dort zur Erntezeit ihre Zuckerrüben ab.

Interessant ist die Feststellung, dass Ausweichnischen von den meisten Bauern konsequent ignoriert werden, auch wenn sie kilometerlange Kolonnen hinter sich her ziehen. Hier mein Dank an alle Bauern, welche NICHT in diese Kategorie fallen! Ärgerlich ist hier nämlich die Tatsache, dass man als Trucker schon in der ersten Lektion lernt, dass man bei starken Steigungen (etwa im Brünigpass oder in der Rampe nach Engelberg) nachfolgende Fahrzeuge überholen lässt, sofern eine Nische vorhanden ist. Ein Trucker kann bei Nichtbeachten gar gebüsst werden. Aber offenbar gelten auch hier für Traktoren andere Bestimmungen.

Ich werde mein Stimmrecht auch in Zukunft jederzeit im Sinne der Landwirte wahrnehmen, unterstütze die schweizerische Landwirtschaft wo immer möglich und erfreue mich täglich an deren Produkten. In der Hoffnung, dass damit eine schleichende Konkurrenz unnötig wird und die Bauern mit ihren Traktoren nur noch in allernötigsten Fällen auf die Landstrasse müssen.