Sonntag, 22. Februar 2009

Sei mir gegrüsst, liebe Krise!


Nun hat die vielzitierte Wirtschaftskrise auch die Transportbranche erreicht. Endlich haben es die Kravattenständer geschafft, dass auch wir Trucker unseren Fun haben. Es hat lange gedauert, und ich habe schon fast befürchtet, dass es gar nicht eintreffen würde. Aber gemäss neusten Gerüchten können wir beruhigt sein: Auch die Trucker hat's getroffen.

Besagte Gerüchte wissen zum Beispiel, dass der grösste Transporteur der Schweiz dutzende LKWs stillgelegt, respektive die Nummernschilder abgegeben hat. Dass die betroffenen Fahrer nun dank der Wirtschaftskrise sehr viel Freiheit haben, versteht sich von selbst. Dass diese Freiheit auch das Ende der Krise überstehen wird, dürfen die betroffenen Trucker dem Abstimmungsresultat vom 8. Februar verdanken, denn bei der Reaktivierung ihrer Trucks wird bestimmt "Vaclav, Jezdo, Miroslav oder Dildo (Gibt's letzteren Namen überhaupt? Oder klingt er einfach lustig östlich?)" auf dem Namenschild stehen. "Sepp" oder "Franz" wird definitiv zu teuer sein.

Eine andere, uns nicht ganz unbekannte Bude mit Sitz in der Nähe von Dagmersellen (man trifft die braunen Volvo Auto- oder Kühltransporter etwas zu oft auf der linken Fahrspur an) fand - wiederum gemäss glaubhaften Gerüchten - eine andere Methode, teure "Sepps" und "Franzen" loszuwerden. Der Chef persönlich soll mit dem Alk-Testgerät eines Montagmorgens in der Bude gestanden und seine Trucker auf Restalkohol getestet haben. Wohl auf der verzweifelten Suche nach einem Kündigungsgrund. Naja, ICH hätte ihm in diesem Moment sogar einen Grund für eine FRISTLOSE Kündigung gegeben: Ein Veilchen. Aber da ich für besagten Betrieb selbst bei einer Hungersnot nicht arbeiten würde, kann ich über diese Story allenfalls weise nicken.

In unserem Betrieb zeigt sich die Krise etwas kreativer, wenngleich weniger unterhaltsam. Mit Ausnahme des vergangenen Freitags, als mein Chef glaubte, für mich keine Arbeit per Montag zu haben (was sich am Freitag Abend, mitten in meinem Freitags-Besäufnis, als Irrtum herausstellte), waren wir Trucker immer voll ausgelastet.

Mein Pech ist allerdings, dass ich seit drei Monaten einen Anhängerzug fahre, dessen Motorwagen zu allem Übel auch noch mit einer hydraulischen Hebebühne ausgerüstet ist. Da dies nun der Fall ist und man einen Anhängerzug per Definium auch ohne Anhänger bewegen kann, bietet sich ein solches Gerät mit samt Fahrer auch als Stückgut-Schleuder an.

Und Stückgut ist nun wirklich - gelinde gesagt - ein Bisschen anders als meine gewohnte Überland-Tätigkeit. Im Jargon nennen wir das Jugo-Tour und man kommt sich tatsächlich vor wie ein DHL-Jugo mit etwas grösserem Fahrzeug. Kistchen hier, Päcklein dort. Siebter Stock? Mit Vergnügen, der Herr. Im Keller? Ist mir eine Freude, Monsieur! Lieferung gleich montieren? Stets zu Diensten, Gnädigste! Was, der LKW, steht im Weg? Klar, Sir, Ihr Durchfahrtsrecht geht über mein Arbeitsbedürfnis! Und das bis zu dreissig (!) Mal am Tag.

Man überlegt sich dann plötzlich ernsthaft, ob man die Freizügigkeit nicht doch begrüssen sollte. Denn die Polaken, Zigeuner und was weiss ich, zahlen ja auch Sozialbeiträge, sofern sie hier tatsächlich arbeiten. Also könnten sie doch meinen Truck steuern, Stückgut schleudern und mir einen etwas verfrühten, aber äusserst angenehmen Lebensabend finanzieren!

Sei mir gegrüsst, liebe Krise!