Sonntag, 1. Februar 2009

Der Maverick


Der Berufsverband der schweizer Trucker Les Routiers Suisses (http://www.routiers.ch/) bietet im Rahmen eines neuen Gesetzes diverse Weiterbildungskurse für Berufsfahrer an. Unter anderem auch einen Kurs mit dem Titel "Verhalten und Toleranz". Es handelt sich dabei um einen rein psychologischen Kurs, frei von technischen Details, Ruhezeitenverordnungen und dergleichen. Viel mehr geht es um den Umgang mit jenen Mitmenschen, mit denen man im Trucker-Alltag zu tun hat. Also Verkehrsteilnehmer, Magaziner, Staplerfahrer und andere Trucker.

Dank des hervorragenden Dozenten fand ich den Kurs spannend und unterhaltsam, vertrat aber in der nachfolgenden Diskussion die Ansicht, dass er für Trucker eher ungeeignet ist. Telefonistinnen, Verkäufer, Aussendienster und dergleichen hätten mehr davon. Ein Argument der Kursverantwortlichen war, dass sich etliche Trucker durch die stete Einsamkeit in der Kabine bereits so in ihre eigene Welt zurückgezogen hätten, dass sie kaum noch kommunikationsfähig seien und daher diesen Kurs dringend benötigten.

Hier stellt sich die klassische Frage nach dem Huhn oder dem Ei. Entsozialisiert sich ein Trucker, der von Montag bis Freitag in der Kabine lebt, oder hat er diesen Beruf gerade deshalb gewählt, weil er gerne alleine ist?

Bei mir trifft sicherlich letzteres zu. Es ist kaum von der Hand zu weisen, dass man in der Kabine seine Ruhe hat, sein eigener Chef ist und auf den stundenlangen Cruises auf der Autobahn bei Musik den eigenen Gedanken nachhängen kann. Bei meinem kurzen Ausflug in die Bürowelt bin ich ob des Kommunikationszwangs fast durchgedreht; Meeting da, Sitzung dort, Gespräch mit Kundin Frunz, E-Mail an Fritz vom Aussendienst, Antwortschreiben auf die Reklamation von Kunden Schnarwiler und zwischendurch stets wieder das hässliche Düdeln des Telefons, auf welches man sich mit dem standartisierten Sprüchlein melden muss. Und wenn's mal nicht geigt, sucht man das Gespräch, du, ich habe da ein Problem, könnten wir eine Lösung finden? Und Abends dann die Frage, was man denn nun den ganzen Tag für eine Wertschöpfung geschaffen hat.

Der Trucker ist eher ein Typ, der Probleme alleine löst, der keinen Big Brother braucht, der gerne ein Zigeuner ist (ich verwende dieses Wort hier ausnahmsweise im positiven Kontext) und wenn es mal harzt, dann fliegen die verbalen Fetzen und schon weiss jeder, woran er ist.

Die Amerikaner haben dafür eine Bezeichnung: Maverick. Wenn ich in meine Kindheit und Jugend zurückblende, muss ich mir eingestehen, dass ich stets ein Maverick war und viel Zeit mit mir alleine verbrachte. Nicht weil ich wenig Freunde hatte, sondern weil ich dies so wollte. Und will. Noch immer erfreue ich mich eines Single-Lebens, kann quasi den Klodeckel offen lassen, wenn es mir beliebt und komme Abends heim, wann ich will. Und wurde Trucker, um auch beruflich ein Maverick sein zu können.

Es dürfte vielen Kolleginnen und Kollegen ähnlich ergehen. So vermute ich, dass man den Kurs "Verhalten und Toleranz" zum einen wegen des Obligatoriums besucht, und zum anderen, weil er doch recht spannend und amüsant ist. Aber vermutlich kaum, weil man sich resozialisieren will.